Zitate zur Quantenphysik

Bell: Determinismus möglich aber absurd

„Augenzwinkernd weist uns Bell darauf hin, daß uns zumindest noch ein Ausweg aus dem Dilemma der Nichtlokalität bleibt, der uns keine Rückkehr zur voreinsteinschen Relativität aufnötigt. Gegenüber Paul Davies äußerte er: „Die Frage kann man auch so wenden, daß man sagt, die Welt sei überdeterminiert.“ Das heißt mit anderen Worten, ausnahmslos alles ist vorherbestimmt, einschließlich der Entscheidung des Versuchsleiters, welche Messungen im Experiment von Aspect vorgenommen werden sollten. Wenn der freie Wille eine Illusion ist, dann können wir dieser Zwickmühle entkommen. Doch wenn wir eine solche Theorie ernst nehmen müßten…“

Gribbin 1998, S. 251.

Bunge: Kopenhagener Deutung

"Den Kern der Kopenhagener Interpretation bildet folgende phänomenalistische These: "Der physikalische Gegenstand hat keine vom erkennenden Subjekt oder Beobachter unabhängige Existenz. Es existiert nur eine geschlossene Einheit, die sich - auf geheimnisvolle Weise - aus dem Beobacher, seinen Beobachtungsmitteln und dem Gegenstand der Beobachtung zusammensetzt. Die Unterscheidung zwischen den drei Komponenten dieses Systems ist nicht eindeutig und objektiv, sondern es bleibt dem Gutdünken des erkennenden Subjekts überlassen, das Objekt in den Apparat einzugliedern oder diesen als Verlängerung seiner selbst zu betrachten. Daher muss sich jede Behauptung über ein Mikroobjekt auch auf die Art seiner Beobachtung beziehen. Und jede Formel der Quantenmechanik erfüllt diese Bedingungen, d.h., sie bezieht sich auf eine experimentelle Situation.""

Bunge 2004, S. 132f.

Bunge: Kopenhagener Deutung nicht beobachterabhängig

"Das Ergebnis unserer Analyse ist klar: Die phänomenalistische These der Kopenhagener Interpretation ist falsch. Die Formeln der Quantenmechanik beziehen sich ausschließlich auf physikalische Entitäten. ... Negativ ausgedrückt: Im Gegensatz zu dem, was die Verteidiger der Kopenhagener Deutung behaupten, bezieht sich die Quantenmechanik nicht auf Beobachter oder Messapparate. Täte sie dies, würde sie Formeln enthalten, die das Verhalten der Beobachter berücksichtigen: Diese Formeln würden erlauben zu beschreiben, wie sie die Apparate entwerfen, konstruieren sie handhaben und vielleicht sogar noch, wie sie sie finanzieren. ... Die Quantenmechanik ist eine strikt physikalische Theorie und steht damit völlig in Einklang mit dem Materialismus: Sie liefert keine subjektivistischen, antirealistischen oder antimaterialistischen Argumente."

Bunge 2004. S. 143f.

Bunge: Quantenmechanik nicht indeterministisch

"Daher ist die Quantenmechanik nicht indeterministisch: Sie behauptet nicht, dass die Ereignisse willkürlich stattfinden und es keine Regularitäten gibt. Gewiss ist der Determinismus der Quantenmechanik nicht der klassische oder Laplace'sche, sondern ein viel reicherer. Der quantenmechanische Determinismus enthält eine starke stochastische Komponente (die man in der Wellenfunktion zusammenfassen kann) und eine starke kausale Komponente (die der Hamilton-Operator darstellt). Dieser quantenmechanische Determinismus ist weit entfernt von einem radikalen Indeterminismus, der auf der freien Willkür des Experimentators beruht.

Bunge 2004, S. 143.

Byrne: Kopenhagener Deutung belässt Willensfreiheit

"In der Mitte des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich die amerikanischen Physiker nur wenig mit den philosophischen Fragen der Quantenmechanik. ... Wenn sie überhaupt nach einer Interpretation suchten, zogen sie gewöhnlich die Kopenhagener Deutung mit ihrer "Frag nichts, sag nichts"-Einstellung vor, denn sie ließ den freien Willen intakt, und das war ein Vorzug.

Byrne 2012, S. 125f.

Byrne: Verhalten von Elektronen

"Es scheint so, als ob sich ein Elektron je nach der Versuchsanordnung manchmal wie eine Welle „verhält“ und manchmal wie ein Teilchen. Aber natürlich kann man bei einem Elektron nicht wie bei einem Tier von „Verhalten“ sprechen, denn es hängt allein von der Umgebung ab, wo es auftrifft oder auftreffen könnte."

Byrne 2012, S. 106f.

Einstein: Der Alte würfelt nicht

„Die Quantenmechanik ist sehr achtung-gebietend. Aber eine innere Stimme sagt mir, daß das doch nicht der wahre Jakob ist. Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß der nicht würfelt….“

Brief von Albert Einstein an Max Born vom 4.12. 1926

Einstein 2005, S. 154.

Falkenburg: Quantenphysik ist auch deterministisch

"Die Quantenmechanik von 1925 schließt die Kausalitätslücke nicht. Sie umfasst zwei Dynamiken: die deterministische, reversible Zustandsentwicklung der Wellenfunktion Psi, die auf der Ebene des Einzelprozesses keine physikalische Interpretation hat; und den Messprozess, der in einer unstetigen, irreversiblen Zustandsänderung zu einem bestimmten Messergebnis führt (siehe Abb. 5.2) - wie und warum, weiß niemand. Die probabilistische Deutung von Max Born (1882-1970) deutet die Wellenfunktion Psi als Maß für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Messergebnis zustande kommt (Abb. 5.3). Der Messprozess wird oft als ein thermodynamischer Vorgang betrachtet, mit dem ein irreversibler Verlust an quantenmechanischer Information verbunden ist."

Falkenburg 2012, S. 279.

"Dennoch gibt es auch strikte Gesetze, die für einzelne Quantenprozesse gelten - die Erhaltungssätze der Physik für Größen wie Energie, Impuls, Drehimpuls oder Spin, eine Quanteneigenschaft subatomarer Teilchen. Sie gelten zum Beispiel für radioaktive Zerfälle, bei denen zwei Teilchen entstehen. .... Nach den Erhaltungssätzen der Quantenphysik gelten die Korrelationen für jedes gemessene Teilchenpaar; ihre Korrelation ist strikt determiniert. Nach der Bedingung der Einstein-Kausalität sind sie zugleich akausal, da die Spezielle Relativitätstheorie kausale Beziehungen auf Ereignisse innerhalb des Lichtkegels beschränkt."

Falkenburg 2012, S. 280.

Falkenburg: Widersprüchlichkeit eines Quantenindeterminismus

"Wie die meisten Physiker setzte er [Max Planck] indeterminiert mit akausal gleich. Ein Ereignis, das nicht durch ein Naturgesetz determiniert ist, hat keine erkennbare [(!)] Ursache. Es folgt keinem Naturgesetz, sondern geschieht regellos [(!)]. Der Quantenphysiker John A. Wheeler (1911-2008) bezeichnete den Quanten-Indeterminismus als gesetzlose Gesetzmäßigkeit - als "Law without law"."

Falkenburg 2012, S. 279.

Kommentar

Dieses Zitat aus dem Buch "Mythos Determinismus" zeigt die Problematik eines quantenmechanischen Indeterminismus schön auf. Selbstverständlich hat ein Ereignis, das nicht durch ein Naturgesetz determiniert ist nicht keine "erkennbare" Ursache, sondern überhaupt keine Ursache. Ist die Ursache nur nicht erkennbar, existiert aber, dann handelt es sich um eine deterministische Theorie.

Akausalität oder Indeterminiertheit bedeutet, dass ein Ereignis gar keine Ursache hat und damit absolut regellos geschieht. Es folgt keinem Naturgesetz - aber auch keinem "probabilistischen Gesetz". Da Quantenphänomene aber keineswegs zufällig, sondern extrem regelmässig sind, kann die Quantenmechanik unmöglich indeterministisch sein.

Gisin: Hyperdeterminismus als absurde Alternative

"Dass der freie Wille eine Illusion sein soll und somit ein Mensch davon überzeugt sein könne, dass nichtlokale Fernwirkugnen durch den leeren Raum hindurch und ohne die Vermittlung von etwas Sonstigem erfolgen, ist für mich eine so große Absurdität, dass ich glaube, dass kein Mensch, der eine in philosophischen Dingen geschulte Denkfähigkeit besitzt, sich dem jemals anschließen kann."

Gisin 2014, S. 168.

Kommentar

Gisin erläutert auf den Seiten 165-168 ausführlich, dass man das Problem der Nichtlokalität und damit der Indeterminiertheit der Quantenmechanik lösen könnte, wenn man den freien Willen negieren würde. Diese Möglichkeit schliesst er aber kategorisch aus: "Die Hypothese vom Hyperdeterminismus soll nur deswegen erwähnt werden, um hervorzuheben, wie sehr zahlreiche Physiker - darunter sogar Spezialisten der Quantenphysik - angesichts des echten Zufalls und der Nicthlokalität der Physik verzweifeln. Für mich ist die Situation ziemlich klar: Der freie Wille existiert nicht nur, sondern kommt logisch gesehen vor der Wissesnchaft, der Philosophie und vor unserer Fähigkeit, sSchlussfolgerungen zu ziehen." (S. 166).

Dass ein indeterminierter freier Wille logisch unmöglich ist, scheint in der Physik leider weiterhin nicht angekommen zu sein. Wenn Gisins Darstellung richtig ist, können die Probleme der Interpretation der Quantenphysik einfach gelöst werden, wenn man auf den freien Willen verzichtet. Eine deterministische Interpretation der Quantenphysik kostet zwar den freien Willen - ist aber trotz aller anderslautenden Behauptungen die einzige widerspruchsfrei mögliche Lösung. 

Heisenberg: Quantenmechanik legt Ungültigkeit des Kausalgesetzes fest

"Wir können die Gegenwart in allen Bestimmungsstücken prinzipiell nicht kennenlernen. Deshalb ist alles Wahrnehmen eine Auswahl aus einer Fülle von Möglichkeiten und eine Beschränkung des zukünftig Möglichen. Da nun der statistische Charakter der Quantentheorie so eng an die Ungenauigkeit aller Wahrnehmung geknüpft ist, könnte man zu der Vermutung verleitet werden, daß sich hinter der wahrgenommenen statistischen Welt noch eine „wirkliche“ Welt verberge, in der das Kausalgesetz gilt. Aber solche Spekulationen scheinen uns, das betonen wir ausdrücklich, unfruchtbar und sinnlos. Die Physik soll nur den Zusammenhang der Wahrnehmungen formal beschreiben. Vielmehr kann man den wahren Sachverhalt viel besser so charakterisieren: Weil alle Experimente den Gesetzen der Quantenmechanik . . . unterworfen sind, so wird durch die Quantenmechanik die Ungültigkeit des Kausalgesetzes definitiv festgestellt."

Heisenberg, W. Zit in Byrne 2012, S. 113.

Honderich: Quantentheorie: Formalismus oder Deutung

"Jede Erörterung der Quantentheorie muß mit einer Unterscheidung beginnen, die in der Wissenschaft und in den sie betreffenden Erwägungen üblich ist. Oft wird der Begriff "Quantentheorie" so verwendet, daß er eigentlich zweierlei bezeichnet: einen Formalismus (oder eine Menge mathematischer Formeln) sowie eine Deutung dieses Formalismus. Die Deutung gibt an, worauf die Quantentheorie hinsichtlich der realen Welt hinausläuft: Sie kann viel besagen oder wenig. Anders ausgedrückt, die Deutung gibt Auskunft darüber, was die Grundbegriffe der Theorie eigentlich bedeuten, worauf sie zutreffen oder welches ihre Bezugsgegenstände sind. Die Deutung ist dasjenige, was uns hier interessiert.

Das Problem der Deutung hat eher philosophischen als wissenschaftlichen Charakter."

Honderich 1995, S. 93.

Jammer: Kopenhagener Deutung hat etwas für jeden

"Die Kopenhagener Deutung ist nicht ein einziges, klares, eindeutig definiertes System von Gedanken, sondern vielmehr ein gemeinsamer Nenner für eine Vielzahl von Ansichten. Sie ist auch nicht notwendig mit einer bestimmten philosophischen oder ideologischen Position verknüpft. Sie lässt sich, und wurde auch, vertreten von Anhängern höchst unterschiedlicher philosophischer Meinungen, zu denen strikter Subjektivisimus und reiner Idealismus ebenso gehörten wie Neo-Kantianismus, kritischer Realismus, Positivismus und dialektischer Materialismus."

Max Jammer 1974, zit. in Byrne 2012, S. 126f.

Laughlin: Kopenhagener Deutung ergibt keinen Sinn

"So war die Tatsache, daß die Kopenhagener Deutung überhaupt keinen Sinn ergab, ihre eigentliche Stärke, weil sie es erlaubte, vollkommen durchsichtig zu erscheinen, während man sich doch eigentlich extrem undurchsichtig verhielt. Man konnte die Ergebnisse seiner Forschungen in wissenschaftlichen Zeitschriften offenlegen, dabei aber einen entscheidenden Teil der Berechnungstechnologie zur Weitergabe als "intuitives Wissen" an die Doktoranden (Lehrlinge) und die Postgraduierten (Gesellen) einbehalten - und somit das Handwerk tradieren. Später kam als unverhoffte Dreingabe hinzu, daß sich die Geheimnistuerei ungeheurer Beliebtheit bei den jungen Forschern erfreute." S. 52

"In offensichtlicher Verzweiflung über das, was geschehen war, veröffentlichte er [Erwin Schrödinger] den Aufsatz Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik, in dem er seine berühmte Katze einführte. Er wollte zeigen, daß eine der logischen Folgerungen der Kopenhagener Deutung offenkundig absurd war, und sie widerlegen. ... Natürlich ging Schrödingers Strategie nicht auf - im Gegenteil, der ihm entstandene Schaden konnte nicht mehr behoben werden. Anstatt die Kopenhagener Deutung zu widerlegen, wie sei es hätte tun sollen, wurde Schrödingers Katze zu ihrem Vorzeigeobjekt. So symbolisiert sie jene übergreifende Verwirrung, die Forscher überall auf der Welt bis heute meinen aufrechterhalten zu müssen, um ernst genommen zu werden - wie bei den Erkenntnissen des Lao-Tse." S. 53-54

"Murray Gell-Mann ging so weit, in seiner Dankesrede zur Verleihung des Nobelpreises 1976 zu sagen: "Niels Bohr unterzog eine ganze Generation von Physikern einer Gehirnwäsche, indem er sie glauben machte, das Problem [der Auslegung der Quantenmechanik] sei bereits vor fünfzig Jahren gelöst worden." Aber kein Naturwissenschaftler, der etwas auf sich hält, beschäftigt sich öffentlich mit der Bedeutung der Quantenmechanik, eben weil das angeblich keine Wissenschaft ist. ... Obwohl er [Erwin Schrödinger] von anderen Experten auf diesem Gebiet ständig gelobt, zitiert und in zahllosen Lehrbüchern verewigt wurde, war er für die entscheidenden Leute persona non grata, weil er ihr Kartenhaus zum Einstürzen gebracht hatte. Daß er im Recht war, machte die Sache nur noch schlimmer. Zudem stellte er bis an sein Lebensende eine äußerte Gefahr dar, denn er war ein echter Gelehrter, nachweislich ein Revolutionär und ein Mann, der das stärkstmögliche Motiv hatte, die Kopenhagener Deutung zu vernichten - weil sie ihm nämlich persönlich solch ungeheures Unrecht angetan hatte." S. 55.

Robert B. Laughlin: Schrödingers Problem: Oder: Was bei der Erfindung der Quantenmechanik nicht logisch zu Ende gedacht wurde. In: Gumbrecht 2008.

 

Morsch: Quantentheorie nicht endgültig

"Einige Physiker halten sogar an Einsteins Traum einer «zufallsfreien» Theorie fest. So arbeitet der niederländische Nobelpreisträger Gerard 't Hooft seit einigen Jahren an einer Version der Quantenmechanik, in der sich Quanteneffekte klassisch interpretieren lassen. Die meisten Physiker neigen allerdings eher zur Auffassung, die der österreichische Physiker Anton Zeilinger kürzlich in der Fachzeitschrift «Nature» vertreten hat. Es könne gut sein, dass die Quantentheorie in der Zukunft durch eine neue Theorie abgelöst werde; wahrscheinlich sei diese Theorie aber noch viel radikaler als alles, was man heute kenne."

http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleCNMDC-1.107445;

«. . . nicht der wahre Jakob . . .» Einsteins gespaltenes Verhältnis zur Quantentheorie von Oliver Morsch, 29.3.2005, abgerufen am 3.1.2014

philo.at: Kopenhagener Deutung als Bankrott Erklärung

"Die Kopenhagener „Deutung“ kommt faktisch einer Bankrott Erklärung der Leitwissenschaft unter den Naturwissenschaften, der Physik, gleich. Was sich aus einer Vielzahl begrifflicher Unbestimmtheiten entwickelt hat, ist ein grundsätzlicher Verzicht auf eine Semantische Bestimmung, eine Sinnfüllung, eine klare Begriffliche Benennung der beobachteten Quantenphänomene, die in sich widersprüchliche Begriffe wie „stehende Materiewelle“(Heisenberg) zur Folge hat und mit sich führt, dies mündet in einem rein formalistischen Berechnen, ohne zu wissen was das eigentlich ist was dort berechnet wird. Was geschieht mit einer Wissenschaft die zwar Form hat aber keinen benennbaren Inhalt? (In dieser Wissenschaft ist…) kein Satz (ist) ohne Gehalt oder ohne Form möglich. Es muss etwas seyn, wovon man weiss, und etwas, das man davon weiss. Der erste Satz aller Wissenschaftslehre muss demnach beides, Gehalt und Form haben. [Fichte: über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der sogenannten Philosophie, S. 31. (vgl. Fichte-W Bd. 1, S. 49)] Diese Ermangelung von einem eindeutig, begrifflich bestimmbaren Inhalt, äußert sich in einer Vielzahl von konkurrierender Erklärungsversuchen."

http://philo.at/wiki/index.php/Quantenphysik_und_Indeterminismus, abgerufen am 3.1.2014.

Scarani: Möglichkeit eines Determinismus

"Manche Leute sagen, durch die Quantenphysik sei der Zufall an die Stelle des Determinismus getreten. Diese Behauptung ist "vernünftig", aber sie hält nicht lange stand. Nehmen wir an, Sie seien ein strikter Verfechter des Determinismus (was für mich nicht gilt) und davon überzeugt, dass alle Details der Geschichte des Universums bereits in Stein gehauen seien und nun einfach nach und nach abliefen. Insbesondere war dann auch vorherbestimmt, dass sie sich "entscheiden", eine Quantenmessung vorzunehmen, deren Resultat ebenfalls schon feststeht. Wie bereits erwähnt wurde, wird durch diese Sicht der Dinge das Bell'sche Theorem gegenstandslos - die fertige Weltgeschichte wäre dann eine riesige nichtlokale verborgene Variable, die alles erklärt. Und das ist noch die geringste Unbequemlichkeit; der Verlust jeglicher Form menschlicher Freiheit ist eine viel dramatischere Konsequenz. ... Akzeptieren Sie "Indeterminismus" für den Menschen, dann müssen Sie auch der Natur eine Art "Indeterminismus" zugestehen."

Scarani 2007, S. 108.

Vaas: Der Widerspruch des Messproblems

In der Standardformulierung – oder orthodoxen Interpretation – der Quantentheorie kommen zwei Arten von Gesetzen vor, die einander streng genommen widersprechen:

• Erstens die deterministische Dynamik der linearen, reversiblen Schrödinger-Gleichung. Sie gilt für ein unbeobachtetes Quantensystem. Es befindet sich in Superposition – in einem „verschmierten" Überlagerungszustand aller möglichen Einzelzustände.

• Und zweitens der zufällige, nicht determinierte und diskontinuierliche so genannte Kollaps der Wellenfunktion zu einem „scharfen" Eigenzustand der Observablen (der Messgröße), wenn das System gemessen wird. Daher können wir immer nur bestimmte, eindeutige Eigenschaften messen. Hier kommt es also zum Übergang vom Mikro- zum Makrokosmos und von der Reversibilität zur Irreversibilität, denn der Messprozess lässt sich nicht mehr rückgängig machen.

Das berüchtigte Messproblem in der Quantenphysik entsteht, weil diese beiden dynamischen Gesetze nicht miteinander kompatibel sind – und kein System gleichzeitig beiden gehorchen kann, wenn man Messgeräte (oder auch Beobachter mit Bewusstsein) als gewöhnliche physikalische Systeme versteht.

Obwohl sich die Quantentheorie für alle praktischen Zwecke bewährt hat, lässt die orthodoxe Lehrbuch-Interpretation der Quantenmechanik von Bohr und Heisenberg – die so genannte Kopenhagener Deutung – offen, was eigentlich eine Messung konstituiert und wie es folglich zum Kollaps der Wellenfunktion kommt. Auch ist deren Bedeutung bis heute nicht klar. Schrödingers Kollege Erich Hückel brachte die Verwirrung schon früh poetisch auf den Punkt: „Gar manches rechnet Erwin schon/ Mit seiner Wellenfunktion./Nur wissen möcht man gerne wohl/ Was man sich dabei vorstell'n soll."

Rüdiger Vaas, Bild der Wissenschaft (abgerufen am 16.2.2014).

Vaas: Einsteins Abneigung gegen "frei entscheidende Elektronen"

""Der Gedanke, dass ein einem Strahl ausgesetztes Elektron aus freiem Entschluss den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich. Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter einer Spielbank sein als Physiker", beklagte sich Einstein bei Max Born. „Die Welt als großes Roulette" war ihm einfach „eine deprimierende Vorstellung".

Die Entwicklungen der letzten Jahre bestärken Einsteins Skepsis. „Vielleicht wird sich noch herausstellen, dass Einstein doch schließlich Recht hatte und die heutige Form der Quantenmechanik nicht als endgültig betrachtet werden sollte", orakelte Paul Dirac vor 30 Jahren – und ist damit heute aktueller denn je. „Meiner Meinung nach ist es wahrscheinlich, dass wir irgendwann in der Zukunft eine verbesserte Quantenmechanik haben werden, die eine Rückkehr zum Determinismus bedeuten wird und damit Einsteins Ansichten rechtfertigen wird." Inzwischen gibt es mehrere Erfolg versprechende Kandidaten für eine solche „ verbesserte Quantenmechanik" (siehe Beitrag ab Seite 48). Einstein hätte also Grund zur Freude."

Rüdiger Vaas, Bild der Wissenschaft (abgerufen am 16.2.2014).

Vaas: kaum jemand verteidigt noch die Kopenhagener Deutung

""Inzwischen ist man davon abgekommen, sich das Messproblem ausreden zu lassen", sagt Detlef Dürr. Die Quantentheorie müsse von der Natur handeln und nicht von subjektiven Beobachtungen. „ Viele Physiker machen Lippenbekenntnisse zur Kopenhagen-Interpretation, wonach die Quantenmechanik fundamental von Beobachtungen und Messergebnissen handelt. Aber es wird immer schwieriger, jemanden zu finden, der diese Interpretation verteidigt, wenn man ihn angreift", schlägt Sheldon Goldstein von der State University of New Jersey in Rutgers in dieselbe Kerbe. „ Es wird deutlich, dass die Quantenmechanik fundamental von Atomen und Elektronen handelt und nicht von den makroskopischen Regularitäten, die mit dem verbunden sind, was wir Messungen nennen."

Auf der Quantenphysik-Konferenz in Bielefeld ist einmal mehr deutlich geworden, wie berechtigt Einsteins Widerstand war und immer noch ist. Bezüglich seines Beharrens auf einer realistischen, objektivistischen Interpretation kann man inzwischen von seiner Rehabilitierung sprechen, auch wenn offen ist, welche Form die Quantentheorie künftig einnehmen wird."

Rüdiger Vaas, Bild der Wissenschaft (abgerufen am 16.2.2014).

Wehler: deterministische Beschreibungen der Quantenmechanik

"In dieser radikalen Interpretation der Quantenmechanik gilt das Prinzip vom zureichenden Grund nicht mehr. Dieser "Kopenhagener Deutung" haben sich allerdings nicht alle Physiker angeschlossen. Manche von ihnen schätzen die Quantenmechanik als eine unvollständige Theorie ein und erwarten, dass auf einer tieferen Ebene wieder eine deterministische Beschreibung möglich sein wird. Alle bisher vorgeschlagenen Arten von deterministischen Theorien wurden jedoch durch das Experiment widerlegt. Dennoch ist die Kontroverse noch nicht zu Ende, weil immer wieder neue Arten deterministischer Theorien ersonnen werden."

Wehler 2007, S. 55.

Zeilinger: Determinismus ist möglich

„Im Prinzip wäre aber noch eine ganz andere, extreme Position tragbar, oder zumindest denkbar. Dies wäre die Annahme eines totalen Determinismus. In diesem Fall wäre alles vorherbestimmt, einschließlich der Entscheidungen des Beobachters, welche Größe er an einem System misst. Es stellt sich also dann nicht die Frage, welche Eigenschaften die Teilchen hätten, wenn wir etwas anderes an ihnen messen, und der logische Gedankengang der Bell’schen Ungleichung kann gar nicht durchgezogen werden. Dass eine solche Position den Naturwissenschaften vollkommen den Boden unter den Füßen wegziehen würde, ist offenkundig. Welche Bedeutung hätte es, in einem Experiment eine Frage an die Natur zu stellen, wenn die Natur selbst diese Frage determinieren kann?“

Zeilinger 2007, S.  209.

Zeilingers Aussage ist deshalb fast schon absurd, da die gesamte Naturwissenschaft deterministisch ist und ihr gleichwohl der Boden nicht unter den Füssen weggezogen wurde. Gibt es deterministische Deutungen der Quantenmechanik, sind diese indeterministischen Deutungen auf jeden Fall vorzuziehen, da ein Indeterminismus den Naturwissenschaften den Boden unter den Füssen wegziehen würde, da ein Indeterminismus Regellosigkeit und Unerklärbarkeit bedeutet. »Determinismus oder Indeterminismus

Zeilinger: Welt nicht ohne unsere Beobachtung

Frage: "Was ist Ihrer Meinung nach die Bedeutung der Quantenphysik für unser Weltbild und unser Bewusstsein?
Zeilinger: Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden."

http://www.heise.de/tp/artikel/7/7550/1.html, Stand 14.8.2013.