Eines der aktuell heiss diskutierten politischen Themen ist jenes um die Frage nach Sex und Gender. Erschwert wird die Debatte dadurch, dass oftmals unklare Begriffe verwendet werden. In diesem Artikel soll deshalb der Versuch gewagt werden, diese Begriffe wie sie im aktuellen Diskurs verwendet werden möglichst klar zu definieren. 

Die Unterscheidung der zwei Begriffe "Sex" und "Gender" stammen aus dem Englischen. Im heutigen Diskurs werden damit ganz unterschiedliche Vorstellungen bezeichnet.

Sex

Mit "Sex" wird im Diskurs rund um Sex und Gender das biologische, materielle Geschlecht bezeichnet. Beim Menschen, wie bei fast allen sich geschlichtlich fortpflanzenden Lebewesen existieren genau zwei biologische Geschlechter, welche für die Reproduktion notwendig sind. Ausnahmen bestätigen hier die Regel. So gibt es Tierweibchen, die unter bestimmten Umständen ohne männlichen Geschlechtspartner Junge bekommen können (Parthenogenese z.B. bei manchen Vögeln), Tiere, die sich selbst befruchten können (manche Schneckenarten) oder Tiere, welche das Geschlecht wechseln können (z.B. Clownfische). Dies sind aber zum einen seltene Ausnahmefälle und zum anderen ist bei den meisten dieser Beispiele die Zuordnung innerhalb des binären Geschlechterschemas möglich. 

Auch beim Menschen gibt es Besonderheiten in Bezug auf das biologische Geschlecht. So gibt es Menschen, die sowohl mit phänotypisch weiblichen als auch phänotypisch männlichen Geschlechtsteilen auf die Welt gekommen sind. Genotypisch gibt es zudem verschiedene Abweichungen vom klassisch chromosomalen "xx" und "xy". So gibt es beispielsweise Menschen mit "xxy", was man als Klinefelter Syndrom bezeichnet. Die meisten dieser Menschen sind aber wiederum phänotypisch eindeutig männlich. Dies trifft aber nicht auf alle chromosomalen Atypien zu. Grundsätzlich kann man sagen, dass bei weit über 99 Prozent aller Menschen das biologische Geschlecht eindeutig bestimmbar ist. Entweder über den Phänotyp (sichtbare Geschlechtsmerkmale) oder den Genotyp (genetische Unterschiede).

Zurzeit werden Menschen, die nicht eindeutig als Mann oder Frau eingeordnet werden können gerne als "drittes Geschlecht" bezeichnet. Diese Formulierung ist aber heikel, da es sich dabei nicht um ein drittes biologisches Geschlecht handelt, sondern um Mischformen der zwei Geschlechter oder um Fälle, wo die Zuordnung nicht eindeutig durchführbar ist. Das angebliche dritte Geschlecht ist kategorial und auch semantisch etwas völlig anderes als die beiden Geschlechter, die bei geschlechtlichen Lebewesen für die Reproduktion notwendig sind. Der Begriff "drittes Geschlecht" hat deshalb vor allem ideologische Gründe und sollte mit Bedacht verwendet werden.

Das biologische Geschlecht ("Sex") lässt sich also in der Regel eindeutig zuordnen und ist definitiv biologisch bestimmt. Diese offensichtliche Tatsache wird von einer philosophischen Strömung in Frage gestellt, die heute grosse Bedeutung hat. Sie geht unter anderem auf postmoderne Denker, insbesondere auf Judith Butler zurück, die auch das biologische Geschlecht als Folge eines Diskurses verstanden wissen will. Materie sei nicht etwas, das für uns offen, "an sich" daliege. Oder wie Butler formuliert: "Daß Materie immer etwas zur Materie Gewordenes ist, muß nach meiner Meinung in Beziehung zu den schöpferischen und eben auch Materie schaffenden Wirkungen von reglementierender Macht im Foucaultschen Sinne gedacht werden."(1) Ein solches Verständnis von Materie ist offensichtlich nicht mit naturwissenschaftlichen Ideen in Übereinstimmung zu bringen und setzt auch einen »philosophischen Idealismus voraus. Denn evolutionär haben sich die zwei Geschlechter unabhängig von einem (vom Menschen abhängigen) Diskurs, unabhängig von reglementierender (menschlicher) Macht entwickelt. Biologische Geschlechter gab es evolutionär gesehen schon lange bevor irgendwelche Lebewesen "reglementierende Macht" ausüben konnten, bevor es überhaupt Macht gegeben hat. 

Die faktische Leugnung eines objektiven, biologischen Geschlechts hat im Diskurs um Sex und Gender allerdings grosse Auswirkungen. Sind Geschlechter nichts Biologisches, dann kann man selbst darüber entscheiden, welches Geschlecht man hat. Und dies ist durchaus möglich, wenn man von manchen Vorstellungen des "Gender" ausgeht.

Gender 

Während der Begriff des "Sex" (fast) eindeutig definiert ist, wird unter Gender wesentlich Unterschiedliches verstanden. Grundsätzlich geht es bei "Gender" um ein soziales Geschlecht, welches explizit unabhängig vom "Sex" existiert. Es geht um eine gefühlte Geschlechtsidentität, die grundsätzlich unabhängig vom biologischen, "physikalischen" Geschlecht existiert. 

Gender 1 

Genderidentität

Dass es sinnvoll ist, Sex und Gender zu unterscheiden zeigt sich bei Transmenschen. Darunter versteht man Menschen, welche der Überzeugung sind, sich in einem Körper falschen Geschlechts zu befinden. Es handelt sich also um biologische Männer (Sex), die sich als Frauen (Gender) fühlen oder um biologische Frauen (Sex), die sich als Männer (Gender) fühlen. Offensichtlich gibt es hier auch viele Zwischenstufen, also beispielsweise Menschen, die sich eindeutig im falschen Körper fühlen und Menschen, die dies beispielsweise nur zeitweise oder nur gemässigt so empfinden. 

Bei den meisten Menschen stimmen Sex und Genderidentität überein, aber das gilt längst nicht für alle. Zentral für die Genderidentität ist aber, dass auch diese letztlich biologisch determiniert ist: Transmenschen wählen ihr Gender nicht einfach so aus einer Laune heraus, sondern das Gefühl hat einen biologischen Ursprung. Es kann deshalb auch nicht einfach ignoriert oder geändert werden, sondern ist in der Regel über viele Jahre oder ein ganzes Leben stabil. Das Gefühl ist bei Transsexuellen oftmals so stark, dass sie sich dazu entschliessen, ihren Körper hormonell und chirurgisch verändern zu lassen, damit Sex und Genderidentität wieder übereinstimmen. Das Ändern des biologischen Geschlechts ("Sex") ist zwar alles andere als einfach und bringt viele Probleme mit sich, die Genderidentität lässt sich aber eben sogar noch weniger leicht ändern. 

Genderrollen (Nature or Nurture)

In Zusammenhang mit der Genderidentität stellt sich die Frage, was es überhaupt bedeutet, "Frau" oder "Mann" zu sein. Inwieweit sind dies ebenfalls biologisch determinierte Eigenschaften, wie stark sind sie gesellschaftlich oder sozial konstruiert? Zwillingsstudien und Studien mit Kleinkindern zeigen eindeutig, dass ein wesentlicher Teil der Geschlechterrollen biologisch-naturwissenschaftliche Grundlagen haben. Ein nicht unwesentlicher Teil hat aber auch mit Zuschreibungen und sozial vorgelebten Rollen zu tun, eine Debatte, die man auch als "nature or nurture" bezeichnet. Gerade Transmenschen zeigen, dass es sich bei Genderrollen nicht einfach um ein soziales Konstrukt handeln kann wie das oft behauptet wird. Die Genderidentität ist erstaunlich fest im Hirn verdrahtet.

Gender 2 

Sexuelle Orientierung

Der Begriff "Gender" wird aber immer häufiger auch dazu verwendet, sexuelle Orientierungen zu bezeichnen. Diese Form von "gender" lässt sich frei wählen und ist letztlich einfach eine subjektive Zuschreibung. So lassen (oder liessen sich zumindest) bei Facebook 60 verschiedene Gender auswählen (eine Liste vgl. (2)). Hiermit wird also offensichtlich etwas völlig anderes als mit der Genderidentität und auch als mit Geschlechterrollen bezeichnet. Es geht dabei mehr um sexuelle Orientierung, ob man homosexuell, bisexuell oder heterosexuell ist, ob dominant oder submissiv etc. Es geht also  nicht weder um das phänotypische Geschlecht ("Sex"), noch um die Genderidentität, die beide eine biologische Grundlage haben, sondern darum, welche sexuellen Vorlieben man hat. Diese können stabil sein, können sich aber auch in kurzer Zeit verändern, was bei biologischem Geschlecht und Genderidentität nicht möglich ist. 

Falsche Anwendung von "Gender" (Gendermedizin)

Diese Vagheit des Begriffs "Gender" ist durchaus bewusst gesucht und typisch für postmoderne Denker. Man versucht mittels unklarer Begriffe politische Forderungen durchzusetzen, die bei eindeutiger Begriffswahl viel mehr Widerstand bewirken würden. Besonders schön zeigt sich das am Begriff "Gendermedizin", der bezeichnen soll, dass Männer auf gewisse Formen von Medizin anders reagieren als Frauen und umgekehrt. Hier geht es allerdings explizit nicht um "Gender", sondern eben um den biologischen Körper, der unterschiedlich ist. Es handelt sich bei der Forderung nach Gendermedizin also eigentlich um die Forderung nach "geschlechtsdistinguierender Medizin" und zwar in der Bedeutung von "Sex". Gendermedizin hat also nichts mit "Gender", mit einem wie auch immer gearteten "sozialen" oder "kulturell geprägten" Geschlecht zu tun.  

Fazit

Gender 2 hat zwar viel mit Sex (als Geschlechtsverkehr) zu tun, aber wenig mit dem, was in diesem Text mit "Sex" bezeichnet wurde, also mit dem biologischen Geschlecht. Sex in diesem Sinn und Gender 1 (Genderidentität) gehören zusammen. Bei den meisten Menschen stimmen Sex und Genderidentität überein, bei manchen nicht. Das Problem, das sich für diese Menschen ergibt besteht darin, dass sich weder das biologische Geschlecht noch die Genderidentität auf leichte Art verändern lassen, es für sie aber zugleich sehr schwer auszuhalten ist, dass Sex und Genderidentität nicht übereinstimmen.

Dazu im Gegensatz steht Gender 2. Dabei handelt es sich um etwas kategorial völlig Anderes, weshalb es problematisch ist, den gleichen Begriff dafür zu verwenden. Gender 2 hat etwas "lifestyle-mässiges" an sich und bezeichnet schlicht sexuelle Vorlieben. Die Vermischung von Gender 1 (Genderidentität) und Gender 2 (sexuelle Vorlieben) in einem Begriff hat aber gravierende Auswirkungen, unter anderem auf den aktuell herrschenden Diskurs und auf die deutsche Sprache.

 

 

(1) Zitiert in: Türcke, Christoph. Natur und Gender: Kritik eines Machbarkeitswahn. München 2021. S. 126.

(2) androgyner Mensch / androgyn / bigender / weiblich / Frau zu Mann (FzM) / gender variabel / genderqueer / intersexuell (auch inter*) / männlich / Mann zu Frau (MzF) / weder noch / geschlechtslos / nicht-binär / weitere / Pangender / Pangeschlecht / trans / transweiblich / transmännlich / Transmann / Transmensch / Transfrau / trans* / trans*weiblich / trans*männlich / Trans*Mann / Trans*Mensch / Trans*Frau / transfeminin / Transgender / transgender weiblich / transgender männlich / Transgender Mann / Transgender Mensch / Transgender Frau / transmaskulin / transsexuell / weiblich-transsexuell / männlich-transsexuell / transsexueller Mann / transsexuelle Person / transsexuelle Frau / Inter* / Inter*weiblich / Inter*männlich / Inter*Mann / Inter*Frau / Inter*Mensch / intergender / intergeschlechtlich / zweigeschlechtlich / Zwitter / Hermaphrodit / Two Spirit drittes Geschlecht (zwei in einem Körper vereinte Seelen) / Viertes Geschlecht / XY-Frau / Butch (maskuliner Typ in einer lesbischen Beziehung) / Femme (femininer Typ in einer lesbischen Beziehung) / Drag / Transvestit / Cross-Gender.

Zitiert in Von Nahodyl Nemenyi, Arpad. Das Gender-Virus. Norderstedt 2021. 

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