Unter einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) versteht man eine Utopie, in welcher alle Menschen vom Staat ohne Bedingungen eine Grundrente erhalten, die ein einfaches Leben ermöglichen soll. In der Schweiz wurde 2016 über die Einführung eines solchen BGE abgestimmt. Vorgesehen war ein Grundeinkommen von 2500 Franken für jede in der Schweiz wohnhafte erwachsene Person und 625 Franken pro Kind. Die Vorlage wurde mit über 75 Prozent der Stimmen verworfen.

Die Forderung nach einem BGE wird immer wieder gestellt. Es gibt auch immer wieder Versuche, es auf begrenzter und lokaler Ebene umzusetzen, um so empirisch zu erforschen, ob ein BGE überhaupt möglich wäre und welche Konsequenzen sich daraus ergäben. Bei Umfragen haben sich in Deutschland auch schon mehr als die Hälfte der Befragten für ein BGE ausgesprochen - was verspricht man sich davon?

Befürworter

Befürworter eines BGEs begründen dies unter anderem damit, dass die immer stärkere Automatisierung (Stichwort künstliche Intelligenz) dazu führen würde, dass es demnächst nicht mehr Arbeit für alle habe. Ein bedingungsloses Grundeinkommen sei deshalb eine Notwendigkeit. 

Sie betonen zudem, dass ein solches System gerechter wäre und Potential freisetzen würde. Wo heute Menschen nur arbeiten würden, um überleben zu können hätten Menschen mit einem BGE die Möglichkeit, sich selbst zu entfalten. Dadurch wäre mehr Platz für Kreativität und neue Ideen würden die Welt beflügeln. Das BGE würde zu einer humaneren, gerechteren und gleicheren Welt führen in welcher Menschen glücklicher und zufriedener wären. 

Finanziert werden sollte das BGE zunächst einmal durch den Bürokratieabbau. Wo heute alle Sozialhilfeempfänger genau überprüft würden und das ganze System bürokratisch und kompliziert sei, müsste in Zukunft nur noch das Geld ausgezahlt werden. Die ganze Bedarfsprüfung fiele weg, was Kosten einsparen würde. Zudem sollte das BGE durch eine Finanztransaktionssteuer finanziert werden, durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder eine Besteuerung der Superreichen. 

Es werden natürlich noch viele weitere Argumente für das BGE vorgebracht, Materialien dazu gibt es en masse auch frei zugänglich im Internet. Das Problem dabei ist aber ganz einfach: ein BGE kann nicht funktionieren. Man kann also gut und gerne darüber "philosophieren", umsetzen lassen wird es sich aber nicht. Warum nicht, das soll dieser Artikel zeigen. 

Gegner

Automatisierung

Das häufig vorgebrachte Argument der Automatisierung hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Mit jedem Produktivitätsschub wurden bislang mehr neue Jobs geschaffen. Dies könnte natürlich irgendwann auch anders sein, allerdings wird uns gerade in den nächsten Jahren wegen der Überalterung der Gesellschaft ein Arbeitskräftemangel bevorstehen. Sollte es aber tatsächlich dereinst grosse Arbeitslosigkeit geben, lässt sich ein BGE erst recht nicht finanzieren. 

Nicht bedingungslos

Ein BGE könnte niemals bedingungslos sein. Ein BGE von 2'500 Franken für alle mit Wohnsitz Schweiz (also eine Bedingung) würde dazu führen, dass bildlich eine Mauer um die Schweiz gebaut werden müsste, da man mit diesem Betrag fast überall auf der Welt eine ganze Familie durchbringen könnte. Es wäre deshalb mit einer massiven Zuwanderung zu rechnen. Würde man zu Zehnt in einer eher kleinen Wohnung leben, wäre der Komfort immer noch besser als der Komfort in vielen Ländern der Welt - erhielte aber bedingungslos 25'000 Franken ohne zwingende Gegenleistung. Es müsste zudem kontrolliert werden, wer seinen Wohnsitz in der Schweiz hat, was schnell zu einer wuchernden Bürokratie führen könnte, die man ja gerade verhindern möchte. 

So liesse sich beispielsweise mit einem Zweitwohnsitz Schweiz mit 5'000 Franken für ein Pärchen ein mehr als komfortables Leben in einem Billiglohnland führen. Das kleine Restaurant am Meer wäre dann krisensicher finanziert. Um Missbrauch zu verhindern, der die sowieso nicht mögliche Finanzierung noch weiter torpedieren würde, müssten also weitere Regeln aufgestellt und Kontrollen durchgeführt werden. Wie die Erfahrung zeigt, könnte sich daraus leicht eine Dystopie entwickeln.  

Bürokratieabbau

Die Bedingungslosigkeit wird vor allem deshalb betont, weil es heute ja auch schon eine Grundsicherung gibt, diese aber an Bedingungen geknüpft ist. Ohne Bedingungen, so das Argument, würde der ganze bürokratische Überbau überflüssig, womit Kosten eingespart werden könnten. Das Problem dabei: Die Bürokratie im Sozialwesen dient nicht nur dazu, Gelder zu verteilen, sondern auch dazu, Hilfe und Unterstützung in verschiedener Form geben zu können. Zudem erhalten heute viele Menschen mehr als 2'500 Franken vom Staat.   Diese würden also neu schlechter gestellt - oder es benötigte weiterhin eine grosse Bürokratie. Das Einsparpotential wäre also deutlich geringer als man sich das gemeinhin vorstellt, die Bedingungslosigkeit würde zu einem Abbau von Sozialleistungen führen - oder wäre nicht mehr finanzierbar.

Markt

Dass ein BGE Platz für mehr Kreativität bieten würde, bestreiten auch die Gegner eines BGE nicht unbedingt. Sie bezweifeln aber, dass diese Arbeiten mehrheitlich produktiv oder marktgerecht wären. Wenn durch das BGE plötzlich viel mehr Menschen malen oder Musik machen würden, wäre das für die Gesellschaft kein adäquater Ersatz zur produktiven Arbeit, die wegen des BGEs liegengelassen würde. Ein BGE würde natürlich nicht einfach dazu führen, dass alle nur noch zuhause vor der Glotze sitzen würden (auch wenn das bei zu vielen durchaus der Fall sein könnte). Und es gäbe sicherlich auch einige Menschen, die mit einem BGE spannende Innovationen entwickeln könnten. Für die Wirtschaft sind aber vor allem Arbeiten gefragt, welche am Markt nachgefragt werden und ob genau diese noch angeboten würden ist zumindest zweifelhaft. Es spielt allerdings auch keine Rolle, weil das BGE sowieso nicht finanzierbar ist. 

Finanzierung des BGE

Es gibt durchaus Berechnungen, die ergeben, dass ein BGE finanzierbar sei. Zumeist werden dazu aber irgendwelche utopischen Steuern verwendet, die nur die Reichen treffen sollten ohne dabei zu bedenken, dass für wohlhabende Menschen ein Land nach der Einführung eines BGE schnell verlassen wäre. Finanztransaktionssteuern beispielsweise sind wenn schon nur international sinnvoll, für ein lokal eingeführtes BGE sind sie nicht nutzbar. Zudem wird gerne ignoriert, dass das BGE massive Auswirkungen auf das System hätte. Die Berechnungen gehen meist davon aus, dass alle im Moment gut funktionierenden Bereiche gleich bleiben würden - und nur die negativen Aspekte durch ein BGE verbessert würden. Das ist allerdings eine realitätsferne Sicht wie auch im Folgenden gezeigt werden wird.

Zwei BGE Modelle

Grundsätzlich gibt es mindestens zwei Formen von BGE, nennen wir sie BGE1 und BGE2. Wir nehmen zudem die in der Schweiz vorgeschlagenen Geldbeträge, diese würden natürlich je nach Land und Situation angepasst.

Beim BGE1 erhalten alle Erwachsenen in einem festgelegten Gebiet zusätzlich zu ihrem bisherigen Lohn 2'500 Franken. Beim BGE2 bleiben die Einnahmen der Erwachsenen gleich. Der Staat zahlt zwar allen Erwachsenen ein BGE von 2'500 Franken aus, die Arbeitgeber kürzen aber entsprechend den Lohn um 2'500 Franken und zahlen diesen Betrag dem Staat ein. Das heisst für jene, welche eine bezahlte Arbeit haben ändert sich lohnmässig nichts: neu erhalten sie einfach 2'500 Franken weniger vom Arbeitgeber, dafür zusätzlich das BGE von 2'500 Franken vom Staat. Wer keine bezahlte Arbeit hat erhält neu aber 2'500 Franken BGE vom Staat statt die bisherigen, an Bedingungen gebundenen Arbeitslosenhilfen oder Sozialleistungen.  

In den folgenden Grafiken werden die drei Situationen vereinfacht dargestellt: die heutige Situation mit Arbeitslosengeld und Sozialhilfe, das BGE1 und das BGE2.

  Situationheute.jpg              BGE11.jpg      BGE21.jpg

BGE1

BGE1 ist offensichtlich nicht finanzierbar. Machen wir eine einfache Rechnung. Es gibt 2020 rund 6.72 Millionen Erwachsene und 1.68 Millionen Kinder in der Schweiz. Erhalten alle Erwachsenen bedingungslos 2'500 Franken und alle Minderjährigen bedingungslos 650 Franken ergibt das 17.85 Milliarden Franken Kosten - pro Monat (6'720'000*2'500+1'680'000*650). Im Jahr also 214 Milliarden, die alleine für das BGE nur für die Schweiz aufgewendet werden müssten. 

2020 gab der Bund insgesamt (!) aber lediglich 75 Milliarden Franken aus. Das ist der Betrag für alle Ausgaben inkl. Infrastruktur, Bürokratie, Militär, Landwirtschaft, Soziale Wohlfahrt etc. Dazu kommen zwar noch Ausgaben der Kantone und Gemeinden, aber es ist offensichtlich, dass das BGE alleine viel mehr kosten würde als der Staat heute für alle bisher existierenden Leistungen ausgibt. Diese Leistungen bräuchte es aber auch weiterhin, weshalb eine Finanzierung von BGE1 undenkbar ist. Es bräuchte dazu Mehreinnahmen, welche auch nicht mit bislang nicht bekannten Steuern erbracht werden könnten.

Das zeigt sich auch darin, dass das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz 2020 rund 750 Milliarden Franken umfasst hat. Das BGE würde also knapp einen Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung der Schweiz kosten. Oder umgekehrt: würde man ein BGE1 auszahlen, würde dies automatisch zu einer Hyperinflation führen und die Währung würde mehr oder weniger entsprechend dem Wert des BGE an Wert verlieren, sodass man mit den 2'500 Franken letztlich kaum noch etwas kaufen könnte.

BGE2

BGE2 wäre dagegen auf den ersten Blick finanzierbar. Die Finanzierung würde fast ausschliesslich auf zwei Pfeilern basieren: auf dem Wegfall der Sozialbürokratie und auf einer Abgabe auf Löhnen. 

Die Einsparungen durch den Wegfall der Sozialbürokratie werden gerne überschätzt. Denn Sozialhilfe umfasst viel mehr als nur das Auszahlen von Geldern. Es gibt Betreuungsangebote, es werden Weiterbildungen organisiert und finanziert etc. All dies würde mit dem BGE2 ebenfalls wegfallen - oder müsste weiterhin finanziert werden, womit die Einsparungen geringer ausfielen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass heute viele Menschen mehr Sozialhilfe erhalten als das BGE von 2‘500 Franken. Diese würden mit dem BGE2 also unter Umständen weniger Geld erhalten als heute - oder es bräuchte wiederum eine Bedarfsprüfung inklusive Sozialbürokratie. 

Noch viel problematischer ist aber die Abgabe auf Löhnen, die auf den ersten Blick so überzeugend erscheint. Vertreter eines BGE2 gehen von der Annahme aus, dass Arbeitgeber die ersten 2‘500 Franken des Lohns eines Arbeiters zuverlässig und ohne Kontrolle an den Staat abliefern würden. Der Arbeitgeber würde dem Arbeiter 2‘500 Franken weniger Lohn zahlen als heute, dafür dem Staat 2‘500 Franken pro Arbeiter abliefern. Der Staat würde dann allen Menschen, also auch den Arbeitern wiederum diese 2‘500 Franken «bedingungslos» auszahlen.

Ein scheinbares Nullsummenspiel, es würde sich angeblich kaum etwas ändern. Wo vorher der Arbeitnehmer 5‘000 Franken vom Arbeitgeber erhalten hatte, würde er nun je 2‘500 Franken vom Arbeitgeber und 2‘500 Franken vom Staat erhalten, es würde also einfach Geld «verschoben». 

Diese etwas seltsame Konstruktion ist notwendig, da alle Menschen ohne Ausnahme das BGE erhalten sollen. Das BGE würde vom Staat finanziert, bezahlt würde es grösstenteils durch das Einsparen der ersten 2'500 Franken der Arbeitnehmer. Ohne dieser Konstruktion landen wir sofort wieder beim unfinanzierbaren BGE1, es handelt sich also um das zentrale Element von BGE2. Doch diese Konstruktion hätte gravierende Folgen.

Heute erhält jemand, der einen Job hat beispielsweise 5‘000 Franken Lohn, bei einer 50 Prozent Stelle 2‘500 Franken und ohne Job (und ohne Sozialleistungen) 0 Franken. Mit dem BGE würde jemand, der 100 Prozent arbeitet 5‘000 Franken erhalten, mit 50 Prozent 2‘500 Franken - also gleich viel wie wenn er oder sie gar nicht arbeiten würde.  

Es gäbe also keinen Unterschied, ob man überhaupt nicht oder 50 Prozent arbeiten würde. Vor allem im Tieflohnbereich hätte das gravierende Auswirkungen - wer arbeitet schon in einem unangenehmen Job, wenn man dafür 500 oder 1000 Franken mehr erhält als wenn man keiner Lohnarbeit nachgeht? Wäre es da nicht lukrativer, ab und zu Dienstleistungen gegen Stundenlohn oder Naturalien zu leisten? 

Genau dies müsste wohl aufwendig verhindert werden. Denn die Finanzierung des BGE2 basiert ja darauf, dass die ersten 2'500 Franken, die verdient werden an den Staat abgegeben werden müssen. Wer also statt für 1'000 Franken mehr 100 Prozent zu arbeiten im Bekanntenkreis gegen Stundenlohn Haare schneiden würde, müsste ebenso die ersten 2‘500 Franken an den Staat abgeben. Dieses Geld einzufordern dürfte unmöglich sein, doch ohne diese Gelder wäre die Finanzierung nicht mehr gesichert.

Schwarzarbeit wäre aber nicht nur im Halbprivaten und bei Stundenlöhnen interessant, sondern auch für Angestelltenverhältnisse.Denn für jeden Angestellten müsste der Arbeitgeber dem Staat 2‘500 Franken abgeben. Bei Schwarzarbeit entfiele dieser Betrag, der deshalb zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt werden könnte, wovon beide profitieren würden. Dies zu kontrollieren wäre für den Staat sehr aufwendig. Und es käme noch eine weitere Schwierigkeit hinzu: was geschähe, wenn jemand zwei oder mehr Arbeitgeber hätte? Welcher Arbeitgeber müsste dann die Abgabe an den Staat leisten?  Was geschähe bei Selbständigen, welche sich selber keinen Lohn auszahlen? Um solche Fälle zu klären bräuchte es sofort wieder Bedingungen und Kontrollen. Diesmal einfach nicht bezogen auf jene, welche heute Sozialleistungen beziehen, sondern bezogen auf die Arbeitgeber. Die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens wäre also nur finanzierbar, wenn an anderen Stellen neue Bedingungen formuliert würden, was das Ganze ad absurdum führen würde. 

BGE höchstens in armen Ländern

Ohne weltweit einigermassen gleiche Löhne liesse sich ein BGE nicht einführen - ausser vielleicht in einem sehr armen Land. Wenn eine Million Menschen im Schnitt 2 Dollar pro Tag verdienen ergäben sich für ein entsprechendes BGE jährliche Kosten von ca. 730 Millionen Dollar. Da ein solches Land zudem über sehr geringe Produktivität verfügt, wäre es denkbar, dass damit die Produktivität tatsächlich gesteigert werden könnte und sich das Land so entwickeln könnte. Möglicherweise wären Entwicklungshilfegelder auf diese Weise sogar besser investiert - gesichert ist dies natürlich nicht. Was aber mit Bestimmtheit gesagt werden kann, ist, dass das Einführen eines BGE in einem reichen Land wie der Schweiz das Land direkt bei der Umstellung oder kurz danach in den Abgrund reissen würde.

Fazit

Die Idee des BGE führt immer wieder zu spannenden Diskussion. Was wäre, wenn man nur noch arbeiten müsste, wenn man mehr als das Existenzminimum zur Verfügung haben wollte? Würden Menschen mit einem BGE vielleicht sogar mehr arbeiten, weil sie mehr Musse hätten und sich eher selbständig machen würden? Solche ideologischen und weltanschaulichen Fragen werden beim BGE aber mit der Realität konfrontiert: ein wirklich existenzsicherendes BGE ist nicht finanzierbar und es wäre auch nicht bedingungslos. Die Bedingungen würden sich nur an andere Orte verschieben.