Zitate zur Philosophie

Augustinus: unmöglicher Zweifel

"Weil jedoch über die Natur des Geistes gehandelt wird, wollen wir aus unseren Überlegungen alle Kenntnisse ausscheiden, welche von aussen durch die Leibessinne gewonnen werden, und noch sorgfältiger unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, was, wie wir festgestellt haben, jeder Geist von sich selbst weiss und worüber er Sicherheit besitzt. Ob nämlich die Kraft zu leben, sich zu erinnern, einzusehen, zu wollen, zu denken, zu wissen, zu urteilen, der Luft zukomme oder dem Feuer oder dem Gehirn oder dem Blute oder den Atomen oder einem von den vier gewöhnlichen Grundstoffen verschiedenen fünften von ich weiss nicht welcher stofflichen Beschaffenheit, oder ob das Gefüge oder das geordnete Mass unseres Fleisches diese Vorgänge zu bewirken vermögen, darüber zweifelten die Menschen: der eine versuchte dies, der andere jenes zu behaupten.

Wer möchte jedoch zweifeln, dass er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Gewissheit haben; wenn man zweiifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiss man, dass man nicht weiss; wenn man zweifelt, urteilt man, dass man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln, dass, wenn es all dies nicht gäbe, er an keiner Sache zu zweifeln vermöchte."

Aurelius Augustinus, De Trinitate. Buch X, 10.14. Zitiert in Johann Kreuzer (Hg.). Aurelius Augustinus: De trinitate Lateinisch-Deutsch. Meiner Hamburg 2001. S. 119.

Baars: Bewusstsein und Willensfreiheit

"Ich glaube, einer der Gründe, warum es vielen so schwerfällt, das Bewußtsein als wissenschaftlichen Gegenstand zu behandeln, ist, daß sie es unerträglich finden, daß wir keinen freien Willen haben, daß alles von diesen komischen kleinen Zellen abhängen soll, die in unserem Kopf herumfeuern und dergleichen mehr. Ich kann das gut nachvollziehen. So ein göttliches Wesen, eine platonische Verbindung mit dem Unendlichen, wäre schon eine wunderbare Sache; nur leider kenne ich keine Belege dafür.

Bernard Baars in Blackmore 2012, S. 31f.

Bayertz: Materialismus und Naturalismus

"Als "materialistisch" im weiten Sinne galt [im 19. Jahrhundert] jeder Versuch, die Welt als eine natürliche Einheit zu begreifen und bei ihrer Erklärung auf direkte Eingriffe Gottes, auf teleologische Argumente oder auf einen separaten Geist und eine unsterbliche Seele zu verzichten. In der weiten Verwendung des Begriffs verschmolzen Materialismus und Naturwissenschaft zu einem identischen Unternehmen"

Bayertz 2012, S. XVIII

Beckermann: Argumente gegen Dualismus

"Probleme des interaktionistischen Dualismus

(1) Eine Wirkung des Geistes auf das Gehirn lässt sich empirisch nicht nachweisen.

(2) Auf die folgenden theoretischen Fragen gibt es keine nachvollziehbare Antwort:

(a) Warum sind die Wirkungen des Geistes so minimal und nur auf bestimmte Bereiche des Gehirns beschränkt?

(b) Wie ist ein Einwirken des Geistes auf den Körper mit den physikalischen Erhaltungssätzen vereinbar?

(c) Warum bedarf der Geist überhaupt eines komplexen und funktionsfähigen Gehirns, um kausal wirksam sein zu können?

(d) Wie sieht der Mechanismus aus, auf dem die kausale Beziehung zwischen Geist und Körper beruht?

(e) Warum kann mein Geist auf mein Gehirn, aber auf kein anderes Gehirn einwirken?"

Beckermann 2008, S. 56.

Beckermann: Vernunft

"Überhaupt sollte man bei dem Substantiv "Vernunft" Vorsicht walten lassen; denn grundlegend ist hier ganz offensichtlich das Adjektiv "vernünftig". Wenn Vernunft überhaupt ein Vermögen ist, dann das Vermögen, vernünftig zu sein, sich im Denken und Handeln vernünftig zu verhalten. Wenn Vernunft überhaupt ein Vermögen ist, dann das Vermögen, sich im Denken und Handeln durch Gründe leiten zu lassen. Im Handeln ist der vernünftig, der tut, wofür die stärkeren Gründe sprechen; und im Denken der, der glaubt, wofür die stärkeren Gründe sprechen."

Beckermann 2013 (Glaube), S. 17.

Bennett / Hacker: der Mensch als Ganzes nimmt wahr

"So etwas wie "Mein Körper nimmt wahr, denkt oder weiß etwas" sagen wir nicht. Doch das "System", von dem man sagen kann, das Gehirn gehöre dazu, ist der Mensch. Das menschliche Gehirn ist ein Teil des Menschen, genauso wie das Hundegehirn ein Teil des Hunds ist. Mein Gehirn - das Gehirn, das ich habe - ist im gleichen Maße ein Teil von mir - also ein Teil des lebenden Menschen, der ich bin - wie meine Arme und Beine. Es stimmt allerdings, daß man auch sagen kann, das Gehirn sei ein Teil meines Körpers.

... Doch Wissen, Wahrnehmen, Denken, Vorstellen usw. sind keine körperlichen Merkmale des Menschen und können von dem Körper, den der Mensch hat, genausowenig ausgesagt werden wie von dem Gehirn, das der Mensch hat. Der Mensch ist nicht sein Körper."

Bennett 2010, S. 190f.

Bennett / Hacker: Phantomschmerzen

"Nach unserer Auffassung ist es möglich, Empfindungen wie Schmerz und Jucken einem Ort zuzuordnen. Der Ort eines Schmerzes ist dort, wo der Leidende hinzeigt - in dem Glied, das er verarztet, in dem Körperteil, von dem er sagt, er schmerze -, denn diese Verhaltensweisen liefern die Kriterien für den Ort der Schmerzen." S. 205

"Ein Schmerz ist keine Substanz. Wenn ich im Fuß Schmerzen habe, stehe ich in keiner Beziehung zu diesen Schmerzen. Vielmehr ist es so, daß mein Fuß dort weh tut; und auf die schmerzende Stelle, die wir den "Ort der Schmerzen" nennen, kann ich zeigen. Im Fall der Phantomschmerzen fühlt es sich für den Leidenden so a, als habe er das amputierte Glied nach wie vor, und er behauptet, in dem eingebildeten Körperteil Schmerzen zu haben." S. 209.

"Daß die Schmerzen des Amputierten echt sind, während der empfundene Ort eingebildet ist (denn da ihm das Bein fehlt, tut es nicht weh), zeigt nicht, daß auch der empfundene Ort von Schmerzen eingebildet ist, die ein Nichtamputierter in seinem Bein spürt. Es ist wirklich das Bein, das weh tut! Wir unsererseits glauben nicht, daß es im Gehirn Körperbilder gibt, ...

Es ist jedoch völlig unklar, was Searle meint, wenn er sagt, "daß die Phantomschmerzen im Phantomfuß [...] einen Ort haben, und dieser Ort ist im Körperbild, das sich seinerseits im Gehirn befindet". Man kann zwar tatsächlich Schmerzen im Kopf haben, und üblicherweise werden sie als Kopfschmerzen bezeichnet; doch im Gehirn kann man weder Rücken- noch Magen- noch sonst irgendwelche Schmerzen haben." S. 209f.

Bennett 2010, diverse Seiten 

Bennett: Gehirn-Körper-Dualismus

„Die dritte Generation hielt an der cartesianischen Basisstruktur fest, bildete sie jedoch zu einem Gehirn-Körper-Dualismus um. Der Substanz-Dualismus wurde preisgegeben, doch der Struktur-Dualismus wurde beibehalten. Denn jetzt schreiben die Neurowissenschaftler dem Gehirn weitgehend die gleiche Reihe mentaler Prädikate zu, die Descartes vom Geist aussagt, und sie begreifen das Verhältnis zwischen Denken und Handeln sowie zwischen der Erfahrung und ihren Gegenständen ganz ähnlich wie Descartes, wobei im Grunde nur der Geist durch das Gehirn ersetzt wird. Das Hauptthema unseres Buchs war das Anliegen, die Inkohärenz des Gehirn-Körper-Dualismus nachzuweisen und seinen verfehlten Kryptocartesianismus aufzudecken.“

Bennett 2010, S. 186.

Berkeley: Idealismus

"VI. Einige Wahrheiten liegen so nahe und sind so einleuchtend, dass man nur die Augen des Geistes zu öffnen braucht, um sie zu erkennen. Zu diesen rechne ich die wichtige Wahrheit, daß der ganze himmlische Chor und die Fülle der irdischen Objekte, mit einem Wort alle die Dinge, die das große Weltgebäude ausmachen, keine Subsistenz ausserhalb des Geistes haben, dass ihr Sein ihr Percipiertwerden oder Erkanntwerden ist, dass sie also, solange sie nicht wirklich durch mich erkannt sind oder in meinem Geist oder im Geist irgendeines anderen geschaffenen Wesens existieren, entweder überhaupt keine Existenz haben oder im Geist eines ewigen Wesens existieren müssen, da es etwas völlig Undenkbares ist und alle Verkehrtheit der Abstraktion in sich schliesst, wenn irgendeinem ihrer Teile eine vom Geist unabhängige Existenz zugeschrieben wird. Um sich hiervon zu überzeugen, braucht der Leser nur durch eigenes Nachdenken den Versuch zu machen, in Gedanken das Sein eines sinnlich wahrnehmbaren Dinges von dessen Percipiertwerden zu trennen. 

VII. Aus dem Gesagten folgt, dass es keine andere Substanz gibt, als den Geist oder das, was percipiert."

George Berkeley. Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis. Zit. in Köhler 2013, S. 424.

Boessmann: der Anfang der Evolution von Bewusstsein

"Am Anfang der Evolution war nach Auffassung von Nicholas Humphrey die Reaktionsbereitschaft von Organismen auf Umgebungsreize auf die Grenzoberflächen dieser Organismen beschränkt. Die Reaktionsbereitschaft zeige sich zum Beispiel darin, dass sich eine Membran oder Haut zusammenzieht, verhärtet oder chemische Stoffe absondert. In diesen Reaktionen sieht Humphrey den primitivsten und ursprünglichsten evolutionären Vorläufer von Empfindungen und Wahrnehmungen. Am Anfang der Evolution wären Reizempfindlichkeit und Reaktionsbereitschaft noch eng miteinander verknüpft, wenn nicht sowieso ein und dasselbe gewesen. Erst mit zunehmender Verhaltensanpassung der Lebewesen an die Umwelt und mit der Entwicklung leistungsfähiger kognitiver Systeme hätten sich Empfindung und Reaktion immer mehr voneinander entkoppelt, sodass wir bei höheren Lebewesen zwei sich ergänzende Perspektiven ihrer Informationsverarbeitung unterscheiden könnten: 1. Was geht da draußen vor? (Humphrey bezeichnet dies als "Wahrnehmung".) 2. Was geht mit mir vor? (Humphrey bezeichnet dies als "Empfindung".)

Boessmann 2013, S. 26.

Boessmann: Über Pantoffeltierchen

"Doch nicht jedem Lebewesen, das Information verarbeitet und sich erfolgreich an seine Umwelt anpasst beziehungsweise die Umwelt an seine Bedürfnisse anpasst, würden wir deshalb schon Bewusstsein zubilligen. Denn schon Bakterien und Einzeller reagieren auf Umweltreize mit biologisch sinnvollem Verhalten. Pantoffeltierchen (Paramecien) beispielsweise besitzen Rezeptoren für Berührung, Temperatur, chemische Reize, Belichtung, Schwerkraft. Sie zeigen gerichtete Bewegungen ihrer Wimpern (Cilien), was ihnen unter anderem die Fortbewegung und Einverleibung (Phagozytose) von Bakterien erlaubt. Pantoffeltierchen können lernen und zeigen sogar ein rudimentäres Gedächtnis. Eine beachtliche Reizverarbeitung und "intelligente" Interaktion mit der Umwelt findet also schon bei Lebewesen ohne Nervenzellen und Synapsen statt."

Boessmann 2013, S. 27.

Boessmann: Unbewusstes als verborgene geheimnisvolle Macht

"Der Begriff des Unbewussten wird von vielen Laien und selbst von den meisten Therapeuten, die mit ihm arbeiten (zum Beispiel Psychoanalytiker, Tiefenpsychologen und Hypnotherapeuten), erstaunlich unreflektiert verwendet. Für sie steht "das Unbewusste" für eine verborgene Macht, die unser Leben, Handeln und Erleben auf mehr oder weniger geheimnisvolle Weise steuert. Immer dann, wenn wir für das Verhalten von Menschen keine rationale Erklärung finden, sind wir geneigt, das Unbewusste verantwortlich zu machen. Das Unbewusste ist quasi ein Platzhalter für Kräfte in uns und in anderen, die wir nicht kennen."

Boessmann 2013, S.21.

Born: Willensfreiheit

Max Born zu Albert Einstein:

"Der strikte Determinismus schien und scheint uns noch heute unvereinbar mit dem Glauben an Verantwortung und sittliche Freiheit."

"Ich finde eine deterministische Welt ganz abscheulich."

Einstein, Albert, Hedwig und Max Born. Briefwechsel 1919-1955. FaM 1982. S. 210, 212. Zit. in Koch 1994, S. 207, 208.

Briegel: Zufall und Freiheit

Frage: Verwechseln Sie in Ihrem Modell nicht die Begriffe Zufall und Freiheit?

Prof. Briegel: Die gespeicherten Erinnerungen sind in der Tat das Material, welches das künftige Verhalten des Agenten beeinflusst. Zufällige Variationen von Erinnerungen könnte man in der Tat als "sich nicht richtig erinnern" bezeichnen. Solche fiktiven Erinnerungen können aber auch eine Vorlage liefern, "wie es auch hätte sein können". Insofern liefern sie das Material für das Denkbare und Vorstellbare auf der Grundlage realer Erfahrungen. Wichtig ist dabei, dass diese Veränderungen nicht beliebig sind, sondern vom bewährten Erfahrungsschatz ausgehen. Werden solche Erinnerungen als Vorlagen für künftige Aktionen des Agenten herangezogen, wie es in unserem Modell der projektiven Simulation der Fall ist, dann definiert dies neue Handlungsoptionen. In unserem Modell erzeugt der Zufall also Optionen, ohne die es in der Tat keine Freiheit geben kann.

http://www.spektrum.de/alias/freier-wille/ohne-zufall-gibt-es-keine-freiheit/1168814; Interview vom 26.10.2012, abgerufen am 2.7.2013; Gerhard Samulat interviewt Prof. Briegel.

Brüntrup: Über Physikalismus und Naturalismus

"Der Begriff "Physikalismus" wird in mehreren Bedeutungen gebraucht. Manchmal wird er mit dem Begriff "Naturalismus" synonym verwendet. ... Die Kernintuition des Naturalismus wird umgangssprachlich oft mit dem Gedanken umschrieben, dass es in der Welt "mit Rechten Dingen" zugehen muss. ...

Gemäß einem engen Begriff des Physischen zählt man nur das darunter, was heute die gegenwärtige Physik beschreiben kann. ... Es könnte auch sein, dass es einfach zwei Begriffe des Physischen gibt. Der engere, der nur mit funktional-relationalen Beschreibungen operiert, und der weitere Begriff des Physischen, der intrinsische Naturen wie zum Beispiel phänomenales Erleben als Eigenschaften des Physischen zulässt. Gegen einen solchen "liberalen" Naturalismus hätten viele Autoren nichts einzuwenden, die heute gemeinhin als Gegner des Physikalismus eingestuft werden. Der Begriff Naturalismus kann daher mit guten Gründen weiter gefasst werden als der des Physikalismus."

Godehard Brüntrup "Physikalismus und evolutionäre Erklärungen" in Knaup 2011, S. 331f.

Bunge: Naturalismus

"Wir haben bislang vom ontologischen Naturalismus gesprochen. Auf dessen Grundlage werden jedoch häufig weitergehende Naturalismen formuliert und vertreten. Diese sind zwar mit dem ontologischen Naturalismus vereinbar, aber insofern von ihm unabhängig, als sie alle falsch sein könnten, ohne ihn zu widerlegen. Solche anderen Naturalismen wären unter anderem:

  • der logische Naturalismus, wonach logische Gesetze nichts anderes als Denkgesetze sind und damit letztlich psychologische oder gar neurobiologische Gesetze;
  • der erkenntnistheoretische Naturalismus, demzufolge Erkenntnisprozesse von Organismen und damit Erkenntnisse allgemein als rein wissenschaftliche Probleme aufzufassen sind und somit letztlich ohne Zuhilfenahme einer philosophischen Erkenntnistheorie behandelt werden können;
  • der ethische Naturalismus, nach dem Werte und Normen in der Natur vorgegeben sind oder aus ihr abgeleitet werden können;
  • der soziale oder sozialwissenschaftliche Naturalismus, demzufolge Kultur und Gesellschaft keine eigenständigen (emergenten) Eigenschaften besitzen, so auf Natur reduzierbar und womöglich allein mit naturwissenschaftlichen Methoden verstehbar sind.

Viele Philosophen (einschließlich uns selbst) halten einige oder alle diese Naturalismen für falsch (Wendel 1990; Bunge 1998). Lesen wir also irgendwo, der Naturalismus sei unhaltbar oder widerlegt, sollten wir genauer hinschauen, um welchen Naturalismus es sich handelt, denn oft ist dies nur aus dem Kontext ersichtlich. Jedenfalls ist meistens nicht der ontologische Naturalismus gemeint."

Bunge 2004, S. 13.

Bunge: Unmöglichkeit des Dualismus

"Die erste Schwachstelle des Dualismus ist seine Vagheit: Er sagt nicht, was der Geist ist, weil er keine Theorie des Geistes, ja nicht einmal eine Definition anbietet. Allenfalls wird gesagt, was der Geist nicht ist, nämlich nicht materiell, nicht räumlich, nicht lokalisierbar usw. ...

Aufgrund seiner völligen ontologischen Unklarheit gibt der Dualismus nicht nur keine Antwort auf die Frage, wie der Geist mit dem Gehirn interagieren soll, sondern auch auf die Frage, warum mein Geist nur mit meinem Gehirn interagiert und nicht mit mehreren, ja warum er überhaupt mit dem Gehirn interagiert statt mit der Leber oder dem Herzen oder ganz anderen Gegenständen (s. auch Beckermann 2001).

Ein dritter Defekt des psychophysischen Dualismus besteht in seiner Unvereinbarkeit mit der Evolutionstheorie. Ist der Geist immateriell, dann steht er im wahrsten Sinne des Wortes über der lebenden Materie und kann daher kaum Selektions- und Evolutionsprozessen unterliegen. Im Gegensatz dazu kann Geist als Gehirnfunktion zusammen mit dem Gehirn evolvieren.

Das schlimmste und wohl für seinen Bankrott entscheidende Kennzeichen des Dualismus ist seine wissenschaftliche Sterilität: Weder erweist er sich als heuristisch fruchtbar für die Forschung noch kann er irgendetwas zur Erklärung des Mentalen beitragen. In der Tat hat er für jedes Problem bereits eine Antwort parat: Die "Tätigkeit" des immateriellen Geistes. Welche neuen Forschungen sollte er so inspirieren? Gleichzeitig erklärt er mit seiner Allzweckantwort alles, was je einer Erklärung bedarf. Doch etwas, das alles erklärt, erklärt nichts. Damit ist er als Erklärungsinstanz unzulässig und auch überflüssig.  Zu guter Letzt ist der Dualismus unprüfbar, bzw. unfalsifizierbar:"

Bunge 2004. S. 145f.

Churchland: Neuronen und Bewusstsein

"Wir wissen, daß es, wenn große Mengen von Neuronen absterben, wie bei der Alzheimer-Krankheit, zu Gedächtnisdefiziten kommt, die Kognition ist beeinträchtigt, die Persönlichkeit verändert sich, das Bewußtsein dafür, was andere denken und fühlen, nimmt ab und ebenso das Bewußtsein für Zeit und Raum. Ich betrachte das als ein Verblassen vieler Aspekte des Selbst und seiner Fähigkeiten, und man bekommt dabei zwangsläufig das Gefühl, daß die Person, die man gekannt und geliebt hat, nicht mehr da ist."

Patricia Churchland in Blackmore 2012, S. 90.

Cording: erlernte Willensfreiheit

"Danach muss personale Freiheit in einem vielfach rückgekoppelten biographischen Erfahrungs- und Lernprozess individuell erst erworben werden und kann durch Krankheit vorübergehend oder dauernd wieder verloren gehen. Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit haben wir in dem Maße, wie unsere Entscheidungen durch personale Determinanten (mit-) geprägt werden, d.h. durch biographisch erworbene Lernerfahrungen, durch selbstkritisch-reflektierend gewonnene Einsichten und durch gedankliches Probehandeln anhand symbolisch repräsentierter Weltmodelle; dabei ermöglicht die mentale Antizipation der Konsequenzen von abzuwägenden Handlungsoptionen einen prospektiv rückgekoppelten Entscheidungsprozess. Auf diese Weise wird die Durchschlagskraft subpersonaler (z.B. artspezifischer) Handlungsimpulse zugunsten personal selbstbestimmter, zielorientierter Präferenzen reduziert, und die Befriedigung aktueller Bedürfnisse kann im Hinblick auf übergeordnete Ziele zurückgestellt werden."

Clemens Cording in Heinze 2006, S. 223.

Cording: Kreativität

Ein weiteres Feld, auf dem wir personale Freiheit erleben, ist die Vielfalt unserer Handlungsoptionen und insbesondere unsere Fähigkeit, nicht nur zwischen uns vorgegebenen Entscheidungsalternativen auswählen, sondern diesen kreativ neue Alternativen hinzufügen zu können. Wenn etwa die Speisekarte eines Restaurants unseren Wünschen nicht entspricht, können wir das Restaurant auch wieder verlassen oder versuchen, den Koch dazu zu bewegen, uns eine Speisenfolge nach unseren Wünschen zusammenzustellen. Wir erfinden ständig Neues, das es in dieser Form noch nie gegeben hat – und zwar nicht nur, wenn wir ein Gedicht oder einen wissenschaftlichen Aufsatz verfassen, sondern auch, wenn wir uns in irgendeinem Slum aus Abfallresten eine neue Hütte bauen. Vergleichen wir z.B. die Evolution der menschlichen Architektur weltweit mit den genetisch vorprogrammierten Bauten der Bienen oder der Störche, so haben wir einen quantifizierbaren Maßstab für das Mehr an kreativen menschlichen Frei- heitsgraden – und die sind keineswegs nur subjektiver Natur, sondern objektiver Ausdruck unserer Fähigkeit, unsere Umwelt entsprechend unseren höchst individuellen Wünschen und Bedürfnissen kreativ umzugestalten.

Clemens Cording in Heinze 2006, S. 227.

Damasio: der seltsame Dirigent

"Das Bewusstsein erwächst letztlich nicht aus einer bestimmten Stelle im Gehirn, sondern es entsteht gleichzeitig als Produkt dieser vielen Regionen, ganz ähnlich wie die Aufführung einer Symphonie, die nicht auf die Tätigkeit eines einzelnen Musikers oder einer Musikergruppe im Orchester zurückgeht. Das Seltsamste an den oberen Ebenen der Bewusstseinsaufführung ist das offenkundige Fehlen eines Dirigenten vor Beginn der Vorstellung. Wenn sie dann aber läuft, ist der Dirigent da. Unter allen praktischen Gesichtspunkten wird das Orchester jetzt von einem Dirigenten geleitet, aber dieser Dirigent wurde durch die Aufführung - das Selbst - erschaffen und nicht andersherum. Der Dirigent wird von Gefühlen und einer Erzählvorrichtung des Gehirns zusammengestückelt, er ist aber deshalb nicht weniger real. Dass der Dirigent in unserem Geist existiert, lässt sich nicht leugnen, und man gewinnt nichts dadurch, dass man ihn als Illusion abtut."

Damasio 2013, S. 35.

Damasio: Geist und Quantenphysik rätselhaft

"Der bewusste Geist erscheint rätselhaft, und da die Quantenphysik bisher ebenfalls rätselhaft ist, besteht zwischen den beiden Rätseln vielleicht ein Zusammenhang."

Damasio 2013, S. 26.

Damasio: Geisteszustand

"Bewusstsein ist ein Geisteszustand, zu dem ein Selbst-Prozess hinzukommt." S. 169.

"Leider wird Bewusstsein auch häufig mit dem Geist gleichgesetzt, was nach meiner Auffassung ebenfalls ein falscher Wortgebrauch ist." S. 170.

Damasio 2013, div. Seiten

Damasio: über Einzeller

"Wie sich herausstellt, zeigen auch Lebewesen ohne jedes Gehirn bis hinab zu den Einzellern scheinbar intelligente, zielgerichtete Verhaltensweisen." S. 44.

"Pflanzen haben keine Neuronen, und ohne Neuronen gibt es keinen Geist. Bei unabhängigen Lebewesen, die kein Gehirn besaßen, entwickelte sich noch eine andere wichtige Eigenschaft: die Fähigkeit, Veränderungen der physiologischen Bedingungen innerhalb ihrer selbst und in ihrer Umgebung wahrzunehmen. Schon Bakterien reagieren sowohl auf das Sonnenlicht als auch auf unterschiedlichste Moleküle: Bakterien in einer Petrischale sprechen auf einen Gifttropfen an, bilden einen Klumpen und weichen vor der Gefahr zurück. Eukaryontenzellen spüren auch die Entsprechung zu Berührung und Vibrationen.  ... Kurz gesagt, konnten einfache Organismen nur dann Erfolg haben und ihren Genen die Reise in die nächste Generation ermöglichen, wenn sie folgende Minimaleigenschaften besaßen: Sie mussten das Innere und die Umgebung des Organismus wahrnehmen, Regeln für Reaktionen besitzen und beweglich sein. Das Gehirn entwickelte sich als Apparat, der die Tätigkeiten Wahrnehmen, Entscheiden und Bewegen verbessern und immer effizienter und differenzierter ausführen konnte." S. 61f.

"Bakterienkolonien praktizieren in ihrer Gruppe regelmäßig das sogenannte "Quorum Sensing" und führen ganz buchstäblich Krieg, um die Oberhand über Territorien und Ressourcen zu behalten." S. 68.

"Kurz gesagt, haben einzellige Lebewesen mit einem Zellkern einen geistlosen, unbewussten Willen, zu leben und so lange für eine geeigente Regulation dieses Lebens zu sorgen, wie bestimmte Gene es ihnen erlauben." S. 70.

 "Mit anderen Worten: Weder ein ganzes Gehirn noch Einzeller beabsichtigen mit ihrem Verhalten gezielt irgendetwas, aber ihre Grundhaltung ist so, als wäre dies der Fall. Dies ist ein Grund mehr, die intuitive Kluft zwischen mentaler und physischer Welt zu leugnen. In diesem Punkt zumindest gibt es sie sicher nicht." S. 102.

Damasio 2013, div. Seiten.

Dennett: Aufgabe des Gehirns: Erwartungen über die Zukunft

"Um das zu verstehen, muß man sich vor Augen führen, wozu das Gehirn eigentlich da ist. Es ist dazu da, Erwartungen über die Zukunft zu generieren. Es ist dazu da - so kann man es sich am einfachsten vorstellen -, daß man sich duckt, wenn ein Ziegelstein angeflogen kommt."

Daniel Dennett in Blackmore 2012, S. 129.

Dennett: Sphex

"Wenn die Zeit des Eierlegens gekommen ist, gräbt die Wespe Sphex zu diesem Zweck ein Erdloch und sucht sich eine Grille aus, sticht sie, so daß die Grille gelähmt, aber nicht tot ist. Sie schleppt die Grille in das Erdloch, legt ihre Eier an ihr entlang, macht das Erdloch zu, dann fliegt sie weg und kehrt nie wieder. Zur fälligen Zeit schlüpfen die Wespenlarven aus den Eiern und fressen die gelähmte Grille auf, die nicht verfault ist, da sie in dem Wespen-äquivalenten Zustand des Tiefgefroren-Seins gehalten wurde. Für das menschliche Verständnis zeigt eine solche ausgetüftelt organisierte und offenkundig zweckmäßige Gewohnheit einen überzeugenden Anflug von Logik und Bedachtsamkeit - solange, bis weitere Details untersucht werden. Zum Beispiel hat die Wespe die Gewohnheit, die gelähmte Grille zu dem Erdloch zu bringen, sie am Rand liegen zu lassen, in das Loch hineinzukriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist, herauszukommen und die Grille dann einzugraben. Wird die Grille um ein paar Zentimeter verschoben, während die Wespe innen ihre vorläufige Inspizierung vornimmt, wird die Wespe, wenn sie aus dem Erdloch herauskommt, die Grille zuerst zurück zum Rand bringen, aber nicht in das Erdloch zerren, und sie wird dann die vorbereitende Prozedur wiederholen und in das Erdloch kriechen, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist. Wenn die Grille wieder ein paar Zentimeter weggeschoben wird, während die Wespe drinnen ist, wird sie die Grille noch einmal zum Rand bringen und wieder in das Erdloch kriechen zur letzten Überprüfung. Die Wespe kommt nie auf die Idee, die Grille direkt hineinzuzuzerren. Bei einer Gelegenheit wurde diese Prozedur 40 mal wiederholt immer mit dem gleichen Ergebnis."

Woolridge, D. The Machinery of the Brain. New York 1963. S. 82. Zit in Dennett 1986. S. 23.

Descartes: cogito, e(r)go sum

„Nun hatte ich beobachtet, daß in dem Satz: „Ich denke, also bin ich.“ (frz. „Je pense, donc je suis“) überhaupt nur dies mir die Gewißheit gibt, die Wahrheit zu sagen, daß ich klar einsehe, daß man, um zu denken, sein muß.“.

http://de.wikipedia.org/wiki/Cogito_ergo_sum

Das "also" (französisch: donc; lateinisch: ergo) ist hier nicht ganz korrekt, wie später bemerkt wurde, da es sich um einen logischen Schluss handelt. Präziser wäre demnach der Satz: "Cogito, ego sum": frei auf deutsch übersetzt: im Moment des Denkens existiere ich. Noch präziser wäre: im Moment des Denkens existiert etwas Denkendes.

Eagleman: entscheidungsunfähige Ratten

"Ein Experiment mit einer Ratte verdeutlicht dies: Wenn am Ende eines Ganges Futter und ein Stromstoß auf sie warten, dann bleibt sie in einem bestimmten Abstand stehen. Unschlüssig nähert sie sich, nur um wieder kehrtzumachen und sich schließlich mit neuem Mut heranzupirschen. Sie schwankt zwischen zwei Möglichkeiten und weiß nicht, wie sie sich entscheiden soll. Wenn Sie messen, mit welcher Kraft sich die Ratte dem Futter nähert und mit welcher sie sich vom Stromstoß entfernt, stellen Sie fest, dass die Ratte genau an dem Punkt stehenbleibt, an dem die beiden Kräfte gleich groß sind und einander aufheben. Anziehung und Abstoßung sind gleich groß. Am Lenkrad der verwirrten Ratte drehen zwei Hände, die in  entgegengesetzte Richtungen steuern, weshalb sich die Ratte weder vorwärts noch rückwärts bewegt."

Eagleman 2012, S. 128.

Eckoldt: mentale Regenwürmer

"Matthias Eckoldt: So weit würden Sie gehen? Ein Regenwurm mit mentalen Zuständen?

Frank Rösler: Natürlich! Wobei es darauf ankommt, wie man "mental" definiert. In dem Moment, wo sie etwas lernen, liegt all das "Kognitive" vor, das sich in wesentlich differenzierterer Form auch bei den Primaten findet. Zielgerichtetes Verhalten impliziert Wahrnehmungen, Entscheidungen und Lernen, lauter Konstrukte der Kognition, ob bei der Ameise, der Biene oder beim Menschen. Wir haben eine Beschreibungsebene, die durch das Verhalten definiert ist, und dafür haben wir bestimmte Begriffe geschaffen, die nicht unmittelbar mit unserer physikalischen Begriffswelt übereinstimmen."

Eckoldt 2013, S. 220.

Einstein: Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens

"Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort, der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will, begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind. Diese Erkenntnis von der Unfreiheit des Willens, schützt mich davor, mich selbst und die Mitmenschen als handelnde und urteilende Individuen allzu ernst zu nehmen und den guten Humor zu verlieren"

Albert Einstein 1932. http://www.einstein-website.de/z_biography/glaubensbekenntnis.html, abgerufen am 25.2.2014

Einstein: ich weiss nicht, was mit Willensfreiheit gemeint ist

„Ich weiß ehrlich nicht, was die Leute meinen, wenn sie von der Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Ich habe zum Beispiel das Gefühl, dass ich irgend etwas will; aber was das mit Freiheit zu tun hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich spüre, dass ich meine Pfeife anzünden will und tue das auch; aber wie kann ich das mit der Idee der Freiheit verbinden? Was liegt hinter dem Willensakt, dass ich meine Pfeife anzünden will? Ein anderer Willensakt? Schopenhauer hat einmal gesagt: ‚Der Mensch kann tun was er will; er kann aber nicht wollen was er will.‘“

Von https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille
– Albert Einstein : Ich vertraue auf Intuition. Der andere Albert Einstein. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg, Berlin, Oxford, S. 176.

Einstein: Philosophie wie Honig

"Ist nicht die ganze Philosophie wie in Honig geschrieben? Es schaut wunderbar aus, wenn man es betrachtet, aber wenn man ein zweites Mal hinschaut, ist alles weg. Es bleibt ein Brei."

Albert Einstein. 1920er.

Empiricus: über den Indeterminismus

"Moreover, if cause were nonexistent everything would have been produced by everything and at random. Horses, for instance might be born, perchance, of flies, and elephants of ants; and there would have been severe rains and snow in Egyptian Thebes, while the southern districts would have had no rain, unless there had been a cause which makes the southern parts stormy, the eastern dry. Also, he who assertes that there is no Cause is refuted; for if he says that he makes this statement absolutely and without any cause, he is positing Cause while wishing to abolish it, since he offers us a cause to prove the non-existence of Cause."

Sextus Empiricus. Um 200. Zit. in Koch 1994, S. 116.

Falkenburg: Bewusstsein nicht Quanteneffekt

"Einzelne Elektronen haben keine Farbe; doch ihre Wechselwirkungen innerhalb des Atoms führen dazu, dass farbige Lichtquanten absorbiert oder ausgesendet werden. Allerdings gibt es hier die Lichtquanten als empirisch nachweisbare "Träger" der Farbe, wie ephemer die Quanten des elektrodynamischen Felds auch immer sein mögen. Die Farbe entspricht der Energie, und die Energie ist eine Erhaltungsgröße, die in allen physikalischen Prozessen noch als eine Art "Substanz" erhalten bleibt. Wie weit trägt dieses physikalische Vorbild für das neuronale Netz in unserem Kopf? Gibt es hier auch "Austauschquanten", die als Träger von Bewusstsein fungieren könnten? Die Versuchung ist groß dies anzunehmen, doch wurden noch keine solchen bewussten Wechselwirkungsneurone entdeckt. 

An dieser Stelle die Quanteneigenschaften der Gehirnmaterie verantwortlich machen zu wollen, ist hochspekulative Metaphysik, falls es nicht auf einen Kategorienfehler hinausläuft. Bewusstsein - als Fähigkeit, etwas aus subjektiver Perspektive zu erleben - ist phänomenologisch etwas völlig anderes als physikalische Eigenschaften wie Farbe oder Energie, die sich objektivieren und messen lassen; und hierin liegt das größte Reduktionsproblem der Hirnforschung."

Falkenburg 2012, S. 341f.

Falkenburg: Gehirn könnte Geist hervorbringen, kein Dualismus

"Natürlich schließen diese Erklärungslücken nicht aus, dass das Gehirn den Geist hervorbringt. Es ist höchst unplausibel, dass die Evolutionsbiologie ausgerechnet in dem Punkt falsch sein sollte, der die letzte und größte narzisstische Kränkung der Menschheit nach Freud betrifft; zumal ja in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten und das Bewusstsein der Unterschied zwischen uns und den Tieren nur graduell ist - wir können Schimpansen, Katzen oder Raben nicht fragen, wie sie sich fühlen. Der Geist ist nicht vom Himmel gefallen, und der Dualismus ist durch meine kritische Untersuchung auch um keinen Deut plausibler geworden."

Falkenburg 2012, S. 403f.

Falkenburg: Geist kein Quanteneffekt

"Die Entstehung des Geistes im Gehirn ist nun sicher kein Quanteneffekt. Neurone und ihre Vernetzungen sind relativ zu subatomaren Teilchen schon sehr groß, sie sollten sich also klassisch verhalten. ... Aber wie sehr die Quanten unsere üblichen Vorstellungen der Welt auch auf den Kopf stellen - das heißt noch lange nicht, dass sie denken und fühlen könnten, oder dass ihre Verschränkungen und Korrelationen gar irgendwie Fühlen und Denken hervorbringen könnten. ... Gehirn und Geist funktionieren anders als die Quantenphänomene in den Detektoren der Physiker."

Falkenburg 2012, S. 99.

Falkenburg: kausale Verbindung Hirn-Bewusstsein

"Was also erklärt uns die Hirnforschung, und was erklärt sie uns nicht? Sie erklärt uns viele neuronale Mechanismen, die das Gehirngeschehen steuern. Und sie liefert uns tiefe Einsichten in beidseitige kausale Beziehungen [!], die das Gehirn und das Bewusstsein miteinander verbinden. Diese kausalen Beziehungen sind aber viel schwächer als die neuronalen Deterministen uns glauben machen wollen. Sie bilden ein loses Bedingungsgefüge im Sinne des Empiristen John Stuart Mill, aber keine Zusammenhänge, die durch strikt deterministische Gesetze regiert werden. Dabei erklären sie immerhin, welche physischen Faktoren kausal relevant für das Auftreten von mentalen Dysfunktionen sind, und wie sich mit Medikamenten oder anderen Therapien darauf Einfluss nehmen lässt."

Falkenburg 2012, S. 384f.

Falkenburg: Kausalprinzip

"Das Kausalprinzip besagt: "Alle Ursachen natürlicher Phänomene sind wiederum natürlich." Es ist dafür geschneidert, allen metaphysischen Monstern in unseren Erklärungen den Garaus zu machen. Wissenschaftliche Erklärungen sind kausal: und kausale Erklärungen dienen dazu, Geister, Götter, Spuk und Wunder aus unserem Verständnis des Naturgeschehens zu verbannen. Das Kausalprinzip unbeschränkt zu verallgemeinern und dabei die Natur ausschließlich als physische Natur (unter Ausschluss der mentalen Phänomene) zu betrachten, führt zu (K) der kausalen Geschlossenheit der Natur. Das Problem ist nur: Unser subjektives Erleben, unsere Absichten und alle bewusst von uns gewollten Handlungen, also gerade das, was unserer Alltagserfahrung am nächsten liegt, alles dies bekommt dadurch ebenfalls den Status von Geistern, Spuk und Wundern."

Hervorhebungen im Original

Falkenburg 2012, S. 49.

Falkenburg: Lassen Sie sich nicht einreden...

"Sie sehen hier: Der Hirnforschung würde eine wissenschaftsphilosophische Reflexion ihrer Methoden und Begriffe nicht schaden. Und Sie sehen auch: Die Erkenntnisse der Hirnforscher können heuristisch äußerst nützlich sein, etwa im Hinblick auf medizinische Therapien, ohne dass sie gleich unser gesamtes Menschenbild über den Haufen werfen müssen. Bitte deuten Sie also Einsichten wie die Bündel-Theorie des Selbst zunächst nur instrumentalistisch, aber nicht gleich realistisch! Halten Sie sie für ein gutes Instrument, um bestimmte Krankheitsbilder zu diagnostizieren und zu behandeln, aber halten Sie sie nicht für eine wahre Theorie des menschlichen Selbstbewusstseins. Und lassen Sie sich schon gar nicht einreden, Ihr Selbst sei eine Fata Morgana Ihres Gehirns."

Falkenburg 2012, S. 392.

Falkenburg: menschliche Gedankenkräfte als nicht physische Ursachen

"Unabhängig davon, ob es Wunder, göttliches Eingreifen, menschliche Gedankenkräfte oder was auch immer neben physischen Ursachen gibt oder auch nicht: Eine Welt mit Kausalitätslücken kann schwerlich als kausal geschlossen betrachtet werden. ...

Wie Sie es auch drehen und wenden: Entweder Sie geben den Determinismus auf und die These (K) der kausalen Geschlossenheit der Welt besagt nicht mehr viel. Oder Sie bezahlen einen hohen metaphysischen Preis."

Falkenburg 2012, S. 378.

Falkenburg: naturalistischer Konstruktivismus

"Der "radikale Konstruktivismus" findet sich auch bei heutigen Hirnforschern und Neurophilosophen. Er wird uns im Verlauf dieses Buchs noch beschäftigen, etwa im Zusammenhang mit der These, unser Ich oder Selbst sei ein Konstrukt des Gehirns, und damit eine bloße Illusion. In dieser These schlägt die realistische Deutung von Ergebnissen der kognitiven Neurowissenschaft in einen Anti-Realismus bezüglich empirisch gut verbürgter mentaler Phänomene um - und hierin berühren sich die wissenschaftstheoretischen Extreme von Konstruktivismus und scientific realism."

Falkenburg 2012, S. 96f.

Kanitscheider: fatale Folgen Kants

"Kants Philosophie birgt in sich den Keim zur rationalen, wissenschaftlichen Philosophie, aber auch zum verhängnisvollen, obskuren (spekulativen) romantischen Idealismus. Die kopernikanische Kehre von Kants Erkenntnislehre hat die Subjektivierung und Spiritualisierung der Welt mit sich gebracht, die erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch den Eingriff der Naturwissenschaft wieder rückgängig gemacht wurde, wobei diese realistischen und empiristischen Naturphilosophen durchaus an den vorkritischen Kant anschließen konnten."

Kanitscheider 2007, S. 15.

Feyerabend: Widerspruchsfreiheit als Dogma

„Theorien mit Widersprüchen sind aus den Wissenschaften auszuschließen. Dieser scheinbar ganz fundamentale Maßstab, den Rationalisten mit demselben gläubigen Enthusiasmus umarmen wie Katholiken das Dogma der unbefleckten Empfängnis Mariä verliert seine Autorität, sobald wir finden, daß es Tatsachen gibt, deren einzige adäquate Beschreibung einen Widerspruch enthält und daß inkonsistente Theorien fruchtbar und leicht zu handhaben sind, während der Versuch, sie widerspruchsfrei zu machen, oft zu nutzlosen und ungelenken Monstrositäten führt.“ 

Feyerabend 1980, S. 87.

Feyerabend unterschlägt hier, dass Heuristiken Widersprüche enthalten können, nicht aber wahre Theorien. Inkonsistente Theorien können sehr fruchtbar sein, sie enthalten aber offensichtlich noch Fehler, welche die Wissenschaft unter anderem mit Hilfe der Widerspruchsfreiheit zu eliminieren versucht. 

Kanitscheider: Sokal-Trick

"Später wurde mir klar, womit ich mir die Anerkennung meines Professors erworben hatte, als ich einmal einen Seminarvortrag über Hegels Phänomenologie des Geistes hielt. Ich hatte einfach instinktiv den Sokal-Trick angewendet, nämlich die Wortmusik des Hegelschen Jargons imitierend einen dem Original ähnlichen Text verfasst, ohne irgendetwas verstanden zu haben, ohne wirklich logische Analysen vorzulegen. Vielleicht half mir meine mittlere musikalische Begabung etwas dabei, die idealistischen Worthülsen emphatisch vorzutragen, aber im Nachhinein bin ich davon überzeugt, dass der anschließende Dialog über meinen Hegelvortrag ein "dialogo de besugos" war, wie man im Spanischen zu sagen pflegt, ein Gespräch, bei dem jeder an jedem vorbeiredet, ohne es zu merken.

Kanitscheider 2007, S. 14.

Gabriel: Kant als Vater des Übels der Postmoderne

"Wie Boghossian meint auch Meillassoux, dass Kant der Vater des Übels der Postmoderne sei, indem er Rationalität grundsätzlich als ein kontingentes System erscheinen lässt, zu dem ein anderes immerhin denkbar, wenn auch für Kant in seiner Existenz nicht erkennbar ist. Von Kant sind es nur noch einige kleine Schritte zu der Annahme, unser apriorisches Begriffssystem sei nicht etwa universal für das Wissen vom "Standpunkte eines Menschen" festgelegt, sondern kulturspezifisch verschieden."

Markus Gabriels Nachwort in Boghossian 2013, S. 141. 

Bibliographie

Kant: dass alle unsere Erkenntnis...

"Daß alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, geschähe es nicht durch Gegenstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewirken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen, und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten, die Erfahrung heißt? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher, und mit dieser fängt alle an."

Kant 1997, S. 1.

Gabriel: Konstruktivismus

"Wenn wir überhaupt etwas erkennen, erkennen wir Tatsachen. Diese Tatsachen sind häufig Tatsachen an sich, also Tatsachen, die auch ohne uns Bestand haben. Eine heute weitverbreitete Version des Konstruktivismus beruft sich auf die Hirnforschung. Man liest und hört manchmal, dass die bunte vierdimensionale Wirklichkeit, die wir wahrnehmen, ein Konstrukt oder eine Konstruktion unseres Gehirns sei. In Wahrheit gäbe es nur physische Teilchen oder irgendwelche "verrückten" Vorgänge, etwa zitternde Strings in vieldimensionalen Räumen oder, weniger erfinderisch, subatomare Teilchen, die durch gewisse Gesetze gleichsam zu farblosen Festkörpern gerinnen, an denen Lichtteilchen abprallen. Durch Kontakt mit unseren Nervenenden entstünden Reize, die unser Gehirn dann unbewusst zu einer Art interaktivem Videospiel verknüpft, das wir kollektiv halluzinieren.

...

Schaut man sich den Neurokonstruktivismus genauer an, sieht man sofort, dass an ihm ungefähr gar nichts wahr ist, außer dass wir Gehirne haben und dass es Teilchen und spannende spekulative physikalische Theorien gibt. Wenn alles, was wir mittels unseres Gehirns beobachten, nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, da diese nur aus zitternden Strings besteht, die sich in elf Dimensionen bewegen, dann gilt dies auch für unser Gehirn selbst. Der Neurokonstruktivismus müsste seinen eigenen Behauptungen gemäß konsequenterweise annehmen, dass wir überhaupt kein Gehirn haben. Daraus folgt aber, dass die These, unsere bunte vierdimensionale Umwelt sei eine körperinterne Gehirnsimulation, selbst in jeder Hinsicht nur eine hirnlose Simulation ist.

...

Der allgemeine Grundfehler des Konstruktivismus besteht darin, dass er nicht erkennt, dass es kein Problem ist, Tatsachen an sich zu erkennen."

Gabriel 2013, S. 59-61.

Kant: Kausalität durch Freiheit

„Wenn ich jetzt (zum Beispiel) völlig frei und ohne den notwendig bestimmenden Einfluss der Naturursachen von meinem Stuhle aufstehe, so fängt in dieser Begebenheit samt deren natürlichen Folgen ins Unendliche eine neue Reihe schlechthin an, obgleich der Zeit nach diese Begebenheit nur eine Fortsetzung der vorhergehenden Reihe ist. Denn diese Entschließung und Tat liegt gar nicht in der Abfolge bloßer Naturwirkungen und ist nicht eine bloße Fortsetzung derselben; sondern die bestimmenden Naturursachen hören oberhalb derselben in Ansehung dieses Ereignisses ganz auf, das zwar auf jene folgt, aber daraus nicht erfolgt und daher zwar nicht der Zeit nach, aber doch in Ansehung der Kausalität ein schlechthin erster Anfang einer Reihe von Erscheinungen genannt werden muss.“

Kant 1998, S. B478.

Gabriel: Wir haben Zugang zu den Dingen an sich

"Vielleicht stehen wir hier gearde an der Schwelle zu einem Paradigmenwechsel. Es gibt eine Gruppe von Philosophen vor allem in den USA, aber auch hier zu Lande, in Italien und Frankreich, die argumentieren, dass wir notwendig einen Zugang zu den Dingen an sich haben müssen. An die Kantthese in ihrer traditionellen Form glaubt eigentlich niemand mehr. Ich denke zum Beispiel, dass es Farben an sich gibt, nicht nur in unserer Wahrnehmung. ... Man muss unterscheiden, ob es Farbwahrnehmungen gäbe, wenn niemand sie hätte (natürlich nicht!), und ob es Farben gäbe, wenn niemand sie wahrnähme (natürlich schon!). S. 43.

Markus Gabriel in der Zeitschrift Gehirn und Geist Nr. 3/2014.

Klaus: Zufall: hätte anders sein können

"Ein Ereignis heißt zufällig, wenn es nicht mit Notwendigkeit aus einer gegebenen Gesamtheit von Bedingungen folgt, wenn es so, aber auch anders hätte sein können. Das bedeutet nicht, daß ein zufälliges Ereignis nicht kausal bedingt sei. Die universelle Gültigkeit des Kausalgesetzes erstreckt sich vielmehr auch auf zufällige Ereignisse; auch sie haben ihre Ursache."

G. Klaus, M. Buhr (Hg.). Philosophisches Wörterbuch. Leipzig 1974. Zit in Koch 1994, S. 102.

Hameroff: Seele als Quantenprozess

"Wenn die Quantenkohärenz in den Mikrotubuli verlorengeht, wie beim Herzstillstand oder Tod, lösen sich die Quanteninformationen der Planck-Skala in unserem Kopf auf und fließen in die Planck-Skala des Universums als Ganzen. Die Quanteninformationen, die während unseres Lebens unseren bewußten und unterbewußten Geist ausmachten, lösen sich allerdings nicht vollständig auf, sondern hängen wegen der Quantenverschränkung zusammen. Weil die Überlagerung bestehen bleibt und keine Zustandsreduktion, kein Quantenkollaps stattfindet, ähneln sie dann eher unserem Unterbewußtsein, unseren Träumen. Und weil das Universum auf der Planck-Skala ortlos ist, existieren sie holographisch, unbegrenzt. Ist das die Seele? Warum nicht."

Stuart Hameroff in Blackmore 2012, S. 177.

Knapp: Kopenhagener Deutung und Philosophie

"Aus philosophischer Perspektive ist die Kopenhagener Deutung der Quantentheorie besonders einleuchtend. Die Kopenhagener Deutung versteht die immaterielle Welt der Möglichkeiten als Aspekt der Realität, der sich außerhalb von Raum und Zeit befindet. Diese immaterielle Realität wird nicht als Vorstufe zur materiellen Wirklichkeit betrachtet, sondern als wirksamer Teil davon. Die Unbestimmtheit ist ein Aspekt der Materie."

Knapp 2011, S. 122.

Heinze: Umfrage zu Determinismus

"Nichols und Knobe (in press) etwa untersuchten, ob Studenten eher von einem indeterministischen oder deterministischen Universum ausgehen, welchen Einfluss die Annahme eines solchen auf ihre Einschätzung moralischer Verantwortlichkeit hat und welchen Einfluss Emotionen dabei haben. Die Autoren konnten zeigen, dass die meisten Studenten inkompatibilistische Intuitionen haben: Mehr als 90% der 41 Befragten waren der Ansicht, dass unser Universum vom indeterministischen Typus sei. Mit der abstrakten Frage konfrontiert, ob in einem deterministischen Universum Personen moralisch verantwortlich sind, antworten 86% mit Nein (eine inkompatibilistische Antwort). Wurden Sie allerdings mit einem konkreten Fall konfrontiert (Bill brennt sein Haus mit Ehefrau und 3 Kindern nieder, um mit seiner Sekretärin leben zu können), antworten 72% mit Ja (eine kompatibilistische Antwort). Wie kommt es zu dieser Diskrepanz?"

Heinze 2006, S. 216.

Knapp: Über Wahrheit

„Wenn richtig oder falsch lediglich Koordinaten innerhalb eines Weltbildes sind, was ist dann Wahrheit, und wie können wir sie erfassen?“ S. 134.

„Wahrheit ist die Qualität einer Beziehung, die sich immer wieder neu entfaltet. Sie ist etwas, das im Augenblick geschieht. Wir können sie nicht festhalten. Wir erfahren Augenblicke der Wahrheit auf ganz verschiedene Weise: als Tiefe, als Stille, als Lebendigkeit oder auch als Funkeln. Etwas zeigt sich auf eine Weise, in der es sich zuvor nicht gezeigt hat. In einem Wort, einem Kunstwerk, der Natur, einer philosophischen oder physikalischen Theorie oder auch in einer menschlichen Begegnung. Was Martin Heidegger als „offene Mitte“ bezeichnet, ist nicht leicht zu erfassen. Aus der Perspektive der feststellbaren Tatsachen ist es ebenso zart wie flüchtig. Es fällt durch das Netz unserer vertrauten Gedankenformen. Philosophen wie Martin Heidegger wird deshalb oft vorgeworfen, dass sie eine Sprache sprechen, die niemand versteht. „Offene Mitte“, was soll das denn bedeuten? Unsere vertrauten Worte und Satzstrukturen reproduzieren jedoch stetig das bekannte Netz unserer Gedankenformen. Ideen, die das Netz dieser Gedankenformen grundlegend verändern, können nicht in unserer vertrauten Sprache ausgedrückt werden. Neue Gedankenformen brauchen immer auch eine neue Sprache. Nur wenn wir uns Zeit nehmen, für diese neue Sprache ein Gefühl zu entwickeln, können wir das Netz unserer Gedankenformen verändern. Deshalb lohnt es sich auch für Laien, sich mit schwierigen philosophischen Texten auseinanderzusetzen. Gerade weil wir diese Sprache nicht sofort verstehen, öffnet sie uns eine Tür für neue Erkenntnisse.“ S. 136f.

Knapp 2011, div. Seiten.

James: freie Handlung

"Wenn eine freie Handlung eine vollständige Neuheit ist, die nicht in meinem Ich, meinem frühern Ich, ihren Ursprung hat, sondern aus dem Nichts entsteht, wie kann ich, mein früheres Ich, dafür verantwortlich gemacht werden? Wie kann ich dann einen dauernden Charakter bekommen, der lang genug derselbe bleibt, um Lob und Strafe als Entgelt zu verdienen? Die Perlenschnur meiner Lebenstage zerfällt in eine Menge unverbundener Kügelchen, sobald einmal durch die verkehrte indeterministische Theorie der Faden der innern Notwendigkeit herausgezogen ist. ... Dieses Argument mag für den einzelnen Fall gute Dienste leisten, aber abgesehen davon ist es jämmerlich...."

James 1994. S. 73f.

Knapp: Widersprüche als Teil der Realität

„Der Widerspruch ist für Niels Bohr kein ungelöstes Rätsel, er ist ein Teil der Realität. Wir können uns aussuchen, welchen der beiden Aspekte wir beobachten wollen, doch nur wenn wir uns der widersprüchlichen abgewandten Seite bewusst sind, kommen wir der Qualität einer tiefen Wahrheit nahe. ...

Es geht nicht darum, die Widersprüche aufzuheben, sondern darum, sie als wesentlichen Teil der Realität anzuerkennen und die eigene Wahrnehmungsfähigkeit in Bewegung zu bringen.“

Knapp 2011, S. 135.

Kaku: entscheidungsunfähige Mäuse

"Das funktioniert auch bei Mäusen. Man platziere eine Elektrode vor einem Stück Käse. Kommt die Maus zu dicht heran, erhält sie einen Elektroschock. Eine Rückkopplungsschleife sagt ihr, sich fernzuhalten, um den Schock zu vermeiden. Durch entsprechende Justierung der Elektrode kann man die Maus zum "Pendeln" bringen, hin- und herschwankend zwischen zwei widerstreitenden Rückkopplungsschleifen. Während ein Mensch in seinem Gehirn einen CEO als oberste Exekutive hat, der die Vor- und Nachteile der Situation abwägt, pendelt die Maus im Griff zweier widerstreitender Rückkopplungsschleifen vor und zurück."

Kaku 2014, S. 75.

Koch: Philosophen bringen keine Antworten

"Aber als Wissenschaftler kann ich doch folgendes feststellen: Ich kann bis zu Platon oder Descartes zurückgehen, aber wir haben in den letzten 2300 Jahren keinerlei Fortschritte im Hinblick auf die philosophischen Aspekte des Bewußtseins gemacht. Die Philosophen haben sich in den letzten 2000 Jahren in so ziemlich jeder Frage unter der Sonne gründlich geirrt. Man sollte nie auf die Antworten der Philosophen hören, sondern auf ihre Fragen."

Christof Koch in Blackmore 2012, S. 183.

Kanitscheider: Einfluss von Emotionen auf Weltbilder

"An vielen Stellen kann man verifizieren, dass die generelle Abwehr naturalistischer Entschlüsselung emotive Wurzeln hat. Manchen erscheint die Wissenschaft wegen ihrer Entzauberungsrolle (Max Weber) geradezu widerwärtig, und es werden die abenteuerlichsten Argumente zusammengekratzt, um irgendwo noch ein Refugium des Undurchdringbaren, Analyseresistenten zu retten. Die Situation zeigt einmal mehr, dass es die "reine Vernunft", den von den Emotionen unkontaminierten Verstand nicht gibt, weshalb wir sicher auch weiterhin mit dieser gespaltenen Situation leben müssen.

Hinzu kommt noch ein Argument aus der Neurobiologie. Es scheint so zu sein, dass in den frühen Kindheitsjahren die Weichen für die emotionale Orientierung, für Haltungen und Reaktionsmuster gestellt werden und dass zu späteren Zeiten durch noch so starke schlüssige Argumente auch an kognitiven Illusionen nichts mehr geändert werden kann, so dass regelrechte basale Umwertungen, z.B. von einer christlichen spirituellen Werteontologie zu einem eliminativen Materialismus, kaum vorkommen können."

Kantischeider 2007, S. 29.

Koch: Willensfreiheit durch Quantenmechanik

"Die einzige reale Möglichkeit für eine freie Wahl im Sinne des Libertarismus besteht für den Geist darin, ein quantenmechanisches Ereignis statt eines anderen zu realisieren, wie von der Schrödinger-Gleichung vorgegeben. Angenommen, zu einem bestimmten Zeitpunkt kommt es an einer bestimmten Synapse zu einer Superposition zweier quantenmechanischer Zustände. es gibt eine 15-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Synapse aktiv wird und ein chemisches Signal über den synaptischen Spalt zwischen zwei Neuronen sendet, und eine 85-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass dem nicht so ist. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist jedoch nicht hinreichend, um zu entscheiden, was das nächste Mal geschieht, wenn ein Aktionspotenzial an der Synapse eintrifft. Alles, was man sagen kann, ist, dass wahrscheinlich keine Freisetzung erfolgen wird. ...

Nach unserer gegenwärtigen Interpretation der Quantenmechanik könnte ein Popper-Eccles-Geist diese idiosynkratische Freiheit ausnutzen. Der Geist könnte die Wahrscheinlichkeiten nicht verändern, könnte aber entscheiden, was bei jedem Durchgang passiert. Das Tun des Geistes würde stets verborgen bleiben, geheim, denn wenn wir viele Durchgänge betrachten, würde nichts Außergewöhnliches stattfinden: nur das, was nach den Naturgesetzen zu erwarten ist. Der bewusste Wille würde innerhalb der Zwangsjacke der Physik in der Welt agieren. Das Ganze würde sich nicht von Zufallsereignissen unterschieden. Wenn diese Spekulationen in die richtige Richtung zielen, wäre dies die maximale Freiheit, die dem bewussten Geist gewährt ist. Bei einer Entscheidung, die auf des Messers Schneide steht, könnte ein winziger Schubs in die eine oder andere Richtung den Ausschlag geben. Doch wenn ein Ergebnis deutlich wahrscheinlicher ist als ein anderes, wären die Einflüsterungen des bewussten Geistes zu irrelevant, um das Blatt zu wenden (vorausgesetzt, dass weniger wahrscheinliche Ergebnisse vom energetischen Standpunkt aus weniger begünstigt sind). Das ist eine magere, dürftige Freiheit, da der Einfluss des Geistes nur dann zum Tragen kommt, wenn die Ergebnisse mehr oder minder gleich wahrscheinlich sind."

Koch 2013, S. 185f.