Argumentation

Argumentationsanalyse: Worum es geht

In vielen Diskussionen rund um "Gott und die Welt" werden Argumentationsstrategien verwendet, die auf den ersten Blick überzeugend wirken, einer genaueren Analyse aber nicht standhalten können. Eine solche Analyse wird in diesem Abschnitt vorgenommen. Es werden wichtige Argumentationsweisen gesammelt, analysiert und deren Schwächen herausgearbeitet. Ziel dieser Analyse ist es, viele Argumentationsweisen als das zu entlarven was sie sind: Strategien, um einen Disput zu gewinnen und nicht Argumente auf dem Weg zur Wahrheitsfindung im aufklärerischen Sinne.

Ausspielen der Mysterienkarte

Viele Menschen sind der Überzeugung, dass zwischen Himmel und Erde noch "mehr" existiert, das sich zwar nicht wissenschaftlich erklären, aber mit "alternativen" Methoden erfassen lässt. So wird etwa angenommen, dass „hinter“ oder „über“ der physischen Welt noch eine "nichtphysische", „spirituelle“, „mystische“, „höhere“, „jenseitige“, „transzendente“ Welt liegen müsse, mit welcher sich all dies erklären lasse, wo die Wissenschaften scheiterten.

Menschen, welche das (noch) nicht Erklärbare oder (scheinbar) Unerklärbare mit der Hilfe von spekulativen, nicht weiter spezifierten „höheren Sphären“ zu erklären versuchen, spielen mit der Mysterienkarte. Problematisch dabei ist, dass mit der Mysterienkarte alles und nichts erklärt werden kann und sie oftmals als Schutzschild verwendet wird, um eine wissenschaftliche Argumentationsweise in Frage zu stellen oder nicht näher darauf eingehen zu müssen.

Aber es passt und Donnerbüchse

Wer eine Theorie aufstellt oder sich einer Theorie "anschliesst" findet oftmals plötzlich überall Bestätigungen dafür. Die Theorie scheint zu passen. Was nicht zur Theorie passt wird entweder ignoriert oder - passend gemacht. Gelingt dies nicht, kann immer noch zur "Donnerbüchse" gegriffen werden: mit dieser kann man zum Angriff übergehen und aufzeigen, dass wenn schon die eigene Theorie nicht passt, dies erst recht für die Theorie des Kontrahenten gilt.

Versetzen der semantischen Torpfosten

In dem Moment, wo man ein Tor schiesst, also ein Argument überzeugt, wechselt der Kontrahent bildlich gesprochen die Torpfosten aus und behauptet, dass man daneben getroffen habe. Dies versucht er beispielsweise damit zu erreichen, dass er 1) einen Begriff plötzlich anders verstanden haben will als zuvor („natürlich glaube ich nicht daran, dass Gott ein alter Mann ist“ - obwohl er genau dies noch fünf Minuten zuvor implizit behauptet hat), dass er 2) statt einer Niederlage einzugestehen einen verwandten Bereich erwähnt, wo er recht zu haben glaubt („natürlich hast du recht, dass Gott kein alter Mann ist, aber er (!) ist allmächtig...) oder dass er 3) möglichst elegant und unbemerkt das Thema wechselt („aber eigentlich geht es ja gar nicht um Gott, sondern um den Sinn des Lebens...“).

Ich weiss es einfach

Viele esoterische, religiöse oder paranormale Behauptungen basieren auf der Intuition. Das Gefühl der unmittelbaren Gewissheit ist sehr stark und es fällt vielen Menschen schwer, diesem Gefühl zu misstrauen. Verstärkt werden solche Gefühle durch Erfahrungen, die es einem fast unmöglich machen an der Existenz eines Gottes zu zweifeln, daran, dass "alles Eins" ist, dass Menschen tatsächlich eine Aura haben, dass es noch "mehr" gibt zwischen Himmel und Erde etc. In der Regel können solche Erfahrungen nicht in Frage gestellt werden, weil das Erlebnis zu intensiv, die Gewissheit zu unmittelbar war. Die Person weiss dann einfach, dass Gott existiert, auch wenn sie es nicht näher begründen kann warum. Gerne wird auch behauptet, dass Menschen, welche diese Erfahrungen nicht gemacht hätten keine Ahnung hätten und deshalb darüber gar nicht mitreden könnten.

Pseudotiefgründigkeit

Ob Philosoph oder Esoterikerin, es gibt Menschen, die es fast perfekt beherrschen, vielsagend nichts zu sagen. Während die einen mit Hilfe von möglichst vielen komplizierten Fachbegriffen zu verschleiern versuchen, dass sie eigentlich nicht viel zu sagen haben, beherrschen es andere auch ohne Hilfsmittel das eigene Ungenügen zu übertünchen.

Anekdotensammlung

Eine der beliebtesten Argumentationsstrategien von Anhängern des Paranormalen oder der Esoterik sind Anekdoten, die Beweiskraft haben sollen. Gemäss »Bernd Harder  glauben 60-75 Prozent der Menschen weltweit an „paranormale Phänomene“, 30-50 Prozent sind der Überzeugung schon selbst solche Erfahrungen gemacht zu haben. Grund für diesen sehr weit verbreiteten Glauben sind eigene Erlebnisse oder eben Anekdoten, die weitererzählt werden. Die Verwendung von Anekdoten als scheinbare Beweise ist besonders in religiösen, paranormalen und alternativmedizinischen Bereichen beliebt.

Es kann nicht so sein...

Die Wissenschaft kann den "Flagellenmotor" von Bakterien nicht erklären - also ist die wissenschaftliche Evolutionstheorie falsch und die biblische Schöpfungslehre wahr. Die Wissenschaft kann die Funktionsweise der Homöopathie nicht erklären - also ist die Wissenschaft unvollständig. Die Wissenschaft kann die kausale Verbindung von Gehirn und Geist nicht erklären, also ist Bewusstsein wissenschaftlich nicht erklärbar. Das Einstürzen der Twintowers am 11. September lässt sich nicht mit dem Einschlag der Flugzeuge erklären - also ist die amerikanische Regierung am Einsturz schuld. 

Das Aufzeigen von Erklärungslücken ist eine oft verwendete Taktik, um "herrschende" Systeme wie Wissenschaft oder Regierungen in Frage zu stellen und im Umkehrschluss die eigene Theorie als wahr darzustellen. Es werden Fehler gesucht und wenn etwas (scheinbar) nicht sein kann, wird daraus der Schluss gezogen, dass die offizielle Version falsch sein muss. Zumeist handelt es sich bei diesen Fehlern aber nur um Fehlinterpretationen oder handelt es sich um Lücken, die problemlos gefüllt werden können - bloss fehlt vorderhand noch das Wissen dazu.

Du bist schuld

Trotz der Fähigkeit der selektiven Wahrnehmung (man nimmt nur Erfolge wahr und blendet Misserfolge aus), wird jeder Gläubige, jeder Alternativmediziner, Guru oder Priester immer mal wieder damit konfrontiert, dass Erfolge ausbleiben oder sich die Lage trotz intensiven Betens, trotz kontinuierlicher Anwendung des Heilverfahrens, trotz Einhalten aller Regeln etc. sogar verschlimmert. Dagegen gibt es eine einfache Verteidigungsstrategie: nicht der Guru, der Priester, Gott oder der Alternativmediziner sind Schuld daran, sondern – der Patient, respektive der Gläubige.

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