"Wer die Tat der Person zurechnet, "erklärt" sie für schuldig und dementsprechend für straffähig. Die Strafe beruht auf dem Vergeltungsprinzip; sie ist nicht nur "an sich gerecht", sondern ein Recht es Schuldigen selbst, der darin seine "Freiheit" beweist. Im Unterschied dazu geht das neuere Strafrecht durchweg vom Prinzip der "Vorbeugung" und damit von einer streng deterministischen Interpretation des Zurechnungsbegriffs aus. Zwar ist auch hier unumstritten, daß die Praxis des Verantwortlich-Machens zur Einübung in soziales Verhalten unverzichtbar bleibt. Ihre Effektivität verdanke sich aber gerade der kausalen Determiniertheit des Handelns; zumindest "rechnet" jene Praxis mit einer solchen Determination (etwa durch Belohnung und Strafe), die ein "Motiv" dafür schaffen, sozial unerwünschte Handlungsweisen zu unterlassen, so daß sich als Umkehr des herkömmlichen Strafverständnisses ergibt: Drei ist, wer resozialisiert, d.h. mit Erfolg verantwortlich gemacht werden kann.

Die empirische Bestätigung für die Richtigkeit dieses Ansatzes, der sich in der Strafpraxis erst allmählich durchsetzt, bleibt noch abzuwarten. In konsequent-deterministischer Fassung führt er sich selbst ad absurdum. Wenn nämlich menschliches Verhalten ausschließlich über seine Folgen determiniert ist, läßt es sich nach dem System von Belohnung und Strafe von außen steuern. ... An die Stelle der IDee der Verantwortung tritt das Faktum der "Kontrollierbarkeit" als technisch realisierte Fremdbestimmung, vor der die Ideen von Freiheit und Menschenwürde zum illusionären Schein vormoderner Gesellschaftsformationen herabsinken."

Riedel 1988, S. 169.