In der nicht-wissenschaftlichen (und teilweise auch in der wissenschaftlichen) Vorstellung soll zwar die Vergangenheit "determiniert" im Sinne von unveränderbar, die Zukunft jedoch indeterminiert im Sinne von unbestimmt sein. Während es unmöglich ist, die Vergangenheit zu ändern, soll es für den Menschen möglich sein aus verschiedenen "Zukünften" (ein Begriff, der spannenderweise nicht existiert!) jene auszuwählen, die er auswählen will. Der Mensch soll also bestimmen können, welche von verschiedenen möglichen "Zukünften" Realität wird und welche verworfen werden. Hat er eine Zukunft ausgewählt und ist diese Gegenwart und Vergangenheit geworden, gibt es jedoch nur noch jene Möglichkeit, die durch den Menschen Realität geworden ist. Die gegenwärtige menschliche Entscheidung soll also aus einer offenen Zukunft eine geschlossene Vergangenheit machen, die Zukunft soll im Gegensatz zur Vergangenheit nicht determiniert, sondern durch den Menschen kreativ gestaltbar sein.

Diese Vorstellung entspricht aus verschiedenen Gründen unserer Intuition. Noch nie ist es einem Menschen gelungen, die Vergangenheit zu ändern und es würde auch schnell zu Widersprüchen führen, wenn beispielsweise jemand seine eigenen Eltern vor der eigenen Geburt umbringen würde. Auch wenn wir es uns manchmal wünschen würden, lässt sich das Geschehene nicht rückgängig machen. Doch so sehr wir überzeugt sind, dass sich die Vergangenheit nicht ändern lässt, so sehr sind wir auch der Überzeugung, dass die Zukunft offen, veränderbar und gestaltbar ist. Die Vorstellung, dass schon zum Zeitpunkt des Urknalls determiniert oder bestimmt gewesen sein soll, was heute auf dieser Welt passiert, dass schon bestimmt gewesen sein soll, dass ich in diesem Moment diesen Text schreibe erscheint zu absurd, als dass sie stimmen könnte. Denn dies würde bedeuten, dass die Zukunft nicht offen und gestaltbar wäre, sondern dass jede meiner Handlungen, jeder meiner Gedanken, jede meiner Entscheidungen notwendig, unveränderbar und determiniert sein müsste. Was würde den Menschen dann aber noch von einer Maschine unterscheiden, wenn die menschlichen Entscheidungen, der menschliche freie Wille schon seit Beginn der Zeiten bestimmt und damit eben nicht wirklich frei sein würde?

Determinismus

Die Wissenschaft ist sich wohl einig, dass eine kausale Verknüpfung zwischen dem Zeitpunkt des Urknalls und dem Heute existiert. Weil zum Zeitpunkt des Urknalls gewisse Bedingungen vorgeherrscht haben, hat sich das Universum, hat sich die Welt so und nicht anders entwickelt. Wären die Bedingungen nur leicht anders gewesen, sähe die Welt heute ganz anders aus, gäbe es keine Menschheit, keinen Planeten Erde, keine Sonne etc. Rein theoretisch lassen sich dieser Vorstellung zufolge vom heutigen Zeitpunkt Kausalketten (Kausalität) bis hin zum Urknall zurückverfolgen. Ich existiere heute und schreibe diesen Text, weil sich meine Eltern geliebt haben, weil deren Eltern und deren Eltern etc. sich geliebt haben, weil deren Ur-ur-ur-ur...Eltern Cro-Magnon-Menschen waren und weil deren Ur-ur-ur-ur... Vorfahren vor rund 400 Millionen Jahren aus dem Wasser an Land gekommen waren und und und. Umgekehrt bedeutet dies, dass wenn ein amphibienartiges Wesen vor rund 400 Millionen Jahren sich nicht vermehrt hätte, wenn "mein" Cro-Magnon Vorfahre als Kind von einem Säbelzahntiger gefressen worden wäre, wenn meine Urgrossmutter sich aus freiem Willen für einen anderen Mann entschieden hätte, dass ich dann nicht existieren würde und Sie diesen Text nicht lesen würden. Dieser kurze Gedankengang scheint heute vom Grundsatz her unstrittig, die Vergangenheit determiniert zumindest gewisse Ereignisse und Situationen der Gegenwart. Manches, wenn nicht sogar alles lässt sich theoretisch bis zum Beginn der Zeit kausal zurückverfolgen, weshalb die Vergangenheit ja auch "geschlossen" ist.

Reine Formen von Indeterminismus

Aber bedeutet das wirklich, dass schon zum Zeitpunkt des Urknalls bestimmt war, dass ich jetzt diese Tasten drücke? Die Vorstellung des Determinismus behauptet genau dies. Während der Determinismus davon ausgeht, dass in der Welt alles kausal verursacht ist und deshalb alles bereits beim Anbeginn der Zeit determiniert oder bestimmt war, geht der Indeterminismus von der gegensätzlichen These aus, dass also nicht alles bestimmt ist. Die Vorstellung des Indeterminismus entspricht damit offensichtlich viel eher unserer Intuition als der Determinismus. Doch während ein Determinismus logisch einfach und unproblematisch ist, ergeben sich mit einem Indeterminismus auf den zweiten Blick ungeahnte Schwierigkeiten.

radikaler, unregelmässiger, absoluter Indeterminismus

Die radikale Form des Indeterminismus kennt kaum Anhänger. Während im Determinismus alles bestimmt ist, bedeutet ein Indeterminismus grundsätzlich, dass nicht alles bestimmt ist oder in der radikalen Form: dass nichts bestimmt ist. In einem solchen Indeterminismus gäbe es keinerlei Gesetze, welche die Welt "zusammenhielten". Eine auch nur ansatzweise regelmässige Welt, wie die unsere, wo wir uns darauf verlassen können, dass der Nacht der Tag folgt und die Strassenbahn auch in einer Woche noch einigermassen pünktlich fährt, sofern nichts Erklärbares dazwischengekommen ist, wäre in einem radikalen Indeterminismus faktisch unmöglich. Es gäbe nichts, was die Dinge innerhalb der Zeit verbinden würde, es gäbe keinen Grund und keine Ursache, warum die Strassenbahn nur schon eine Sekunde später noch eine Strassenbahn sein sollte. Würde ich in einem radikalen Indeterminismus jetzt eine Taste drücken, wäre im nächsten Sekundenbruchteil keine Taste mehr vorhanden, wäre ich nicht mehr vorhanden, wäre alles vollkommen anders, gäbe es nichts, was noch existieren würde. Und damit gäbe es natürlich höchstens zufälligerweise mal in einem Moment eine Welt, wie wir sie kennen, diese wäre aber im nächsten Sekundenbruchteil wieder verschwunden.

In einem unregelmässigen Indeterminismus gäbe es keine Kausalität, kein "weil", keine Erklärung, warum etwas geschähe. Anstelle der Kausalität würde der »absolute Zufall herrschen (nicht zu verwechseln mit dem relativen Zufall, wo Ursachen nur unbekannt sind). Es gäbe keinerlei Regelmässigkeit, nichts würde Bestand haben, nichts Dauerhaftes könnte existieren.

regelmässiger Indeterminismus (Wahrscheinlichkeit)

Die Frage stellt sich deshalb, ob es zwischen diesen beiden Extremen (Determinismus und radikaler Indeterminismus) auch eine Mischform geben kann, einen regelmässigen Indeterminismus, welcher beispielsweise auf »Wahrscheinlichkeiten basiert. Anstatt dass bereits zum Zeitpunkt des Urknalls feststand, was heute geschieht, basiert diese Vorstellung auf der Idee, dass nicht alle "Zukünfte" gleich wahrscheinlich sind. So nehmen wir in Bezug auf die Vergangenheit eine Wahrscheinlichkeit von hundert Prozent an - diese lässt sich nicht mehr ändern. Die Zukunft jedoch erscheint uns offen, wobei manches zumindest beinahe determiniert zu sein scheint, anderes sehr ungewiss. Während wir kaum ernsthaft daran zweifeln, dass morgen die Sonne wieder aufgehen wird, rechnen wir vielleicht mit einer fünfzig prozentigen Wahrscheinlichkeit damit, dass wir morgen eine Stunde früher Feierabend machen können. Die Wahrscheinlichkeit hingegen, dass wir morgen ohne Grund vom Erdboden verschluckt werden, erachten wir als annähernd oder gleich null Prozent.

Begeben wir uns aber am übernächsten Tag in Gedanken in die Vergangenheit und lassen den vorherigen Tag nochmals Revue passieren, verändert sich die Wahrscheinlichkeit, mit der wir beurteilen, ob wir früher Feierabend machen. Im Rückblick erscheint die Wahrscheinlichkeit nicht mehr rund fünfzig Prozent zu betragen, sondern annähernd oder gar ganz hundert Prozent, da noch dieser Auftrag kurzfristig hereingeschneit ist oder es schon um drei Uhr nichts mehr zu tun gab. Berechnen wir Wahrscheinlichkeiten in Bezug auf die Zukunft, handelt es sich dabei also zumindest oftmals um Spekulationen, die stark davon beeinflusst sind von dem, was wir über die Zukunft noch nicht wissen. Je mehr Informationen wir haben, desto eindeutiger lässt sich die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit welcher etwas eintreffen wird. Ist es dann Gegenwart oder sogar Vergangenheit geworden, erscheint die Wahrscheinlichkeit sowohl vorwärts (wir versetzen uns gedanklich in die Vergangenheit und blicken in die Zukunft) wie auch rückwärts (wir blicken von jetzt in die Verangenheit) als annähernd oder ganz hundert Prozent.

Ein regelmässiger, auf Wahrscheinlichkeiten basierender Indeterminismus nähert sich also mit vermehrtem Wissen einem Determinismus an und es sprechen noch viele weitere Argumente gegen einen Indeterminismus, der auf Wahrscheinlichkeiten beruht (vgl. Willensfreiheit und Wahrscheinlichkeit). Da sich die Wahrscheinlichkeiten abhängig von unserem Wissensstand verändern, stellt sich die Frage, ob diese womöglich nur in unserer Vorstellung existieren und auf einer fehlerhaften Einschätzung basieren. Könnte es also sein, dass die Wahrscheinlichkeiten "objektiv" stets null oder hundert Prozent betragen (=Determinismus), die Welt uns aber regelmässig indeterministisch erscheint? Wer sich jedoch in Erinnerung ruft, welche Folgen ein Determinismus für unser Weltbild hätte (keine echte Willensfreiheit, keine echte Möglichkeit aus unterschiedlichen Alternativen eine auszuwählen, keine Gestaltung der Zukunft, der Mensch faktisch als Maschine), der kann sich mit einer solchen Lösung kaum zufrieden geben.

teildeterminierter Indeterminismus

Unverursachter Verursacher

In der Regel ist deshalb in Zusammenhang mit Willensfreiheit gar nicht die Rede von einem "reinen" Indeterminismus, sondern von einer Mischform aus deterministischen und indeterministischen Elementen. Wir wollen dies "teildeterminierten Indeterminismus" nennen. 

Diese Form einer indeterministischen Vorstellung verzichtet nicht nur auf Wahrscheinlichkeiten, im Gegenteil ist für sie gerade die Möglichkeit zentral, sich auch entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit für oder gegen etwas entscheiden zu können. Auch in dieser Vorstellung ist die Vergangenheit unveränderbar, die Zukunft solll aber deshalb "offen" sein, weil "willensfreie Wesen" wie der Mensch ohne selbst verursacht zu sein neue Kausalketten (Kausalität)  starten können sollen. In dieser Vorstellung gilt also für alles ausser dem menschlichen Willen (und möglicherweise anderen willensfreien Wesen) der Determinismus. Alles ist determiniert bis auf den Menschen, der allein aufgrund seines "freien" Willens, ohne verursacht zu sein eigene, "kreative" Kausalketten starten kann. Dies bedeutet, dass eine freie Willensentscheidung selbst nicht verursacht ist, die Willensäusserung jedoch eine Handlung kausal verursacht, die dann weitere Wirkungen zur Folge hat. Die freie Willensäusserung hat, wenn sie ohne Ursache geschieht auch keine Vergangenheit und es beginnt im Moment der freien Willensäusserung etwas bis dahin nicht Dagewesenes, das aber im Extremfall bis in alle Zukunft kausale Folgen haben wird. Die freie Willensäusserung verursacht, ohne selbst verursacht zu sein und ermöglicht damit die kreative Gestaltung der Zukunft.

Unverursachter Entscheider

Auch wenn diese Vorstellung eines "unverursachten Verursachers" oder "unbewegten Bewegers" sehr oft verwendet wird, ist sie nicht ganz korrekt, entspricht zumindest in den meisten Fällen nicht exakt dem, was damit gemeint ist. Die Vorstellung ist weniger, dass der Mensch durch seinen Willen ohne Ursache eine neue Kausalkette starten kann als vielmehr, dass der Mensch ohne selbst verursacht zu sein aus verschiedenen möglichen "Zukünften" jene auswählen kann, die dann auch Realität werden soll. In dieser Vorstellung existieren eine oder mehrere Kausalketten schon über längere Zeit, deren künftigen Verlauf sich der Mensch vorstellen kann und von denen er eine auswählen kann, respektive auszuwählen hat.

Ein Beispiel soll diesen Gedanken verdeutlichen. Ich schreibe momentan freiwillig seit einiger Zeit an diesem Text. Es existiert also eine Kausalkette, eine kausale Verbindung zwischen dem Schreibbeginn und dem momentanen Schreiben. Ich schreibe im Moment unter anderem deshalb, weil ich vor einigen Tagen diesen Text zu schreiben begonnen habe. Ich habe zudem in diesem Moment die Wahl, welche von mehreren möglichen "Zukünften" Realität werden soll, ich kann (scheinbar) aus verschiedenen möglichen "Zukünften"auswählen: ich kann weiterschreiben oder ich kann aufstehen, mein Laptop an die Wand schmeissen und fortan keinen Satz mehr schreiben. Beide Optionen haben zwar eine Vergangenheit, die sich kausal zurückverfolgen lässt, doch scheint die Entscheidung allein bei mir zu liegen, welche dieser Optionen ich wähle. Dabei scheint es keine Verbindung zum Urknall zu geben, ob ich mich für das eine oder für das andere entscheide. Ich entscheide frei, ohne verursacht zu sein, die Wahl erscheint nicht determiniert, die Entscheidung hat aber eindeutig kausale Auswirkungen. Denn schreibe ich jetzt diesen Satz, den sie gerade lesen, dann habe ich mich für das Weiterschreiben entschieden und damit habe ich dafür gesorgt, dass diese Möglichkeit Realität geworden ist und sie jetzt diesen Text lesen können. Ihr Lesen ist also kausal verbunden mit meinem Schreiben. Zugleich habe ich mich dagegen entschieden, mein Laptop zu zerstören und diese Zukunfts-Möglichkeit zumindest für den Moment ausser Kraft gesetzt.

Meine Wahl hat also entschieden, welche Zukunft Realität geworden ist. Ich bin zudem zumindest der festen Überzeugung, dass beide Alternativen möglich gewesen wären, wenn auch die Option mit dem Laptop an die Wand schmeissen weniger wahrscheinlich gewesen zu sein scheint. Gleichwohl hätte ich es entgegen aller Wahrscheinlichkeit tun können, so ich es denn gewollt hätte, es wäre eine mögliche Zukunft gewesen, gegen die ich mich aktiv entschieden habe. Ich bin deshalb für meine Entscheidung verantwortlich und die Entscheidung war nicht bestimmt, nicht determiniert. Glaube ich zumindest.

Einwände gegen den teildeterminierten Indeterminismus

"Zukünfte"

Denn zuerst einmal ist die Vorstellung problematisch, dass es verschiedene "Zukünfte" gibt, aus welchen ein Mensch auswählen kann. Alle diese "Zukünfte" sind blosse Möglichkeiten, existieren nicht real, sondern nur in der Vorstellung, in der Phantasie. Der Mensch hat die Fähigkeit, sich vorzustellen, welche Konsequenzen seine Handlungen unter normalen Umständen haben werden. Er kann auf verschiedene mögliche "Zukünfte" spekulieren und seine Handlungen danach ausrichten. Er kann sich Ziele in der fernen Zukunft setzen und seine Entscheidung abhängig machen von solchen Spekulationen. Wir Menschen wählen also in unserem Selbstbild aus den verschiedenen vorgestellten Zukünfte jene aus, von welcher wir wollen, dass sie Realität wird. Gefühlsmässig haben wir dabei die Überzeugung, dass wir tatsächlich aus verschiedenen real möglichen Zukünften auswählen, in Tat und Wahrheit gibt es aber nur eine Zukunft - nämlich jene für die wir uns dann auch entscheiden und die Gegenwart und Vergangenheit werden wird.

Der Fehlschluss besteht darin, dass diese "Zukünfte" zwar denkbar und gemäss unserer Erfahrung auch möglich sind, damit eine Zukunft aber Realität und damit Gegenwart wird, muss sie auch eintreten. Wir entscheiden uns also nicht für eine "reale" Zukunft, sondern nur für eine von mehreren "Zukünften", die wir uns vorgestellt haben, die nur in unserer Phantasie existieren. Diese Vorstellung verschiedener "Zukünfte" hat aber einen Einfluss darauf, wie wir uns entscheiden. Die vorgestellte Zukunft wird damit zu einem von vielen Gründen, die auf die Entscheidungsfindung einwirken. Wir wählen dann jene "Zukunft" (jene vorgestellte Möglichkeit) aus, von der wir glauben, dass sie uns am meisten Vorteile verspricht, dass sie am ehesten unseren Gedanken, Gefühlen, unserem Willen entspricht. Diese Wahl und der ganze Prozess der Entscheidungsfindung ist natürlich real und findet statt, wir wählen tatsächlich aus verschiedenen "Zukünften" aus, die wir in unserer Vorstellung "gestaltet" haben. Dieser Prozess ist aber wiederum ursächlich mitverantwortlich dafür, dass gerade jene "Zukunft" Realität wird, für die wir uns entschieden haben.

unverursachter Verursacher

Wenn wir auf eine vergangene Entscheidung zurückblicken, bleibt daran wenig "Unverursachtes", sondern höchstens Unbewusstes. Wir können in der Regel sehr genau erklären, warum wir die Wahl getroffen haben und können wir dies nicht, dann glauben wir zumeist auch nicht, dass wir die Wahl selbst, also unverursacht getroffen haben. Viel eher erfinden wir (unbewusst) Gründe, um uns davon zu überzeugen, dass die Wahl scheinbar ohne Ursache durch uns selbst verursacht war, wir rechtfertigen uns für unsere Entscheidung, was gerade zeigt, dass wir sie nicht "absolut zufällig", sondern eben gut begründet getroffen haben.

Und in der Tat lässt sich meine Entscheidung mein Laptop zu verschonen natürlich leicht erklären. Es gab gute Gründe dafür und diese Gründe haben die Entscheidung mitverursacht. Ich bin auch sehr froh, dass ich nicht ohne Ursache, also völlig zufällig, nicht einmal aus einem Impuls heraus das Laptop genommen und an die Wand geschmissen habe. Wäre es dazu gekommen, wäre es für mich von besonderer Tragik, wenn ich sagen müsste, dass ich keinen Grund dazu hatte und es mir nicht erklären könnte. Ich hätte eine solche Entscheidung nur dann verstanden, wenn ich gute Gründe dazu gehabt hätte und wenn sie meinem Willen entsprochen hätte. Damit ich die Entscheidung als selbstbestimmt empfunde hätte, hätte sie also durch meinen Willen determiniert sein müssen. War also mein Wille ohne Ursache? Dann wäre er aber nicht mein Wille! Es müsste also nicht mein Wille sein, der ohne Ursache wäre, sondern - ich. Hätte ich aber ohne Ursache entschieden, ergäben sich wiederum weitere Probleme:

Der Kern der Intuition rund um Willensfreiheit besteht darin, dass wir zwar begründet handeln, dass eine Handlung aber nicht determiniert war, sondern dass wir uns selbst und ohne Zwang (ohne determiniert zu sein) für die eine "Zukunft" entschieden haben. Dies taten wir aufgrund unserer eigenen Überlegung, unseren eigenen Überzeugungen und Gefühlen - was natürlich auch stimmt. Denn dieser Entscheidungsprozess war auch eine Ursache für unsere Entscheidung, war eine Ursache dafür, dass wir uns gerade für diese Möglichkeit, für diese (vorgestellte) "Zukunft" entschieden haben. Ohne Entscheidungsprozess oder durch einen anderen Entscheidungsprozess wären wir zu einem anderen Ergebnis gekommen, wäre die Wahl also anders ausgefallen. Hätten wir eine andere Laune gehabt, hätten wir die Konsequenzen genauer abschätzen können, hätten wir über anderes Wissen verfügt, hätten wir uns vielleicht anders entschieden - und uns natürlich auch anders entscheiden können. Der springende Punkt ist aber, dass wir uns im Moment der Entscheidung unter den gegebenen Umständen mit guten Gründen für die eine und gegen die andere "Zukunft" entschieden haben. Wären die Umstände anders gewesen, hätten wir uns vielleicht anders entschieden. Aber die damaligen Umstände führten zu unserer Entscheidung und die Entscheidung führte zur Handlung.

Wir waren es also tatsächlich selbst, die die Entscheidung getroffen haben. Durch das Vorstellen der "Zukünfte", durch unsere Reflexion, durch das Abwägen von Gründen etc. haben wir selbst Einfluss genommen auf die Entscheidung, die deshalb anders ausgefallen ist, als wenn dieser Prozess nicht stattgefunden hätte. Wir haben nach dem Entscheidungsfindungsprozess jene Entscheidung getroffen, die unserem Willen entsprach, die wir gewollt haben und nicht jene, die jemand anders für uns getroffen hat. Insofern haben wir die Entscheidung auch selbst bewirkt - nämlich dadurch, dass unsere Reflexion und unser Entscheidungsimpuls Ursachen waren für die Entscheidung. Wir haben somit einer von mehreren denkbaren und vorgestellten "Zukünften" zur Realitätswerdung verholfen und sind damit aufgrund unserer Gefühle und unserer Reflexion verantwortlich für diese Entscheidung, dafür, dass genau diese Zukunft Realität geworden ist.

Fazit

Wenn ich die Wahl habe, mein Laptop an die Wand zu schmeissen oder am Text weiterzuschreiben wird meine Entscheidung stark dadurch beeinflusst, dass ich vorwegzunehmen versuche, welche Konsequenzen meine Entscheidung und die darauffolgende Handlung haben wird. Ich entscheide mich also in der Tat für einen bestimmten Zukunftsverlauf (weiterschreiben) und schliesse andere "Zukünfte" (Laptop schmeissen, aufräumen, womöglich neues Laptop kaufen etc.) aus. Insofern gestalte ich die Zukunft tatsächlich mit, bestimme ich meine Zukunft selbst, da ohne meiner Entscheidung oder wenn ich mich für eine andere (vorgestellte) "Zukunft" entschieden hätte eine andere "Zukunft" zur Gegenwart und Vergangenheit geworden wäre. Dies bedeutet aber nicht, dass die Zukunft offen ist, sondern nur, dass die Zukunft in der menschlichen Vorstellung, in der menschlichen Phantasie offen ist.

Dem Menschen fehlt die Möglichkeit, zu wissen, welche Zukunft notwendigerweise Realität werden wird. Er hat aber die Fähigkeit, sich aufgrund seiner bisherigen Erfahrungen vorzustellen, welche "Zukünfte" logisch und den Naturgesetzen gemäss möglich wären, so er sich denn für diese Möglichkeit entscheiden sollte. Er hat zudem die Fähigkeit, seine Spekulationen in seine Entscheidungsfindung zu integrieren, weshalb er tatsächlich die Zukunft mitgestalten kann.

Diese Freiheit, die Zukunft zu gestalten ist nun aber paradoxerweise nur in einem Determinismus möglich, in welchem es nur eine Zukunft gibt und theoretisch schon zum Zeitpunkt des Urknalls feststand, wie der Mensch sich entscheiden wird. Dass es sich bei der Vorstellung rund um einen "unverursachten Verursacher" um eine Illusion handeln muss, zeigen die im Text erwähnten Erläuterungen: Fehlende Kausalität bedeutet keineswegs Freiheit, sondern absoluten Zufall und dieser kann nichts, also auch nicht Freiheit begründen. Zudem legen Evolutions- wie Urknalltheorie nahe, dass es eine kausale Verbindung zwischen dem Heute und dem Urknall gibt. Dass diese Verbindung nicht in Bezug auf die Vergangenheit "determiniert", in Bezug auf die Zukunft aber indeterminiert sein kann hat dieser Text gezeigt. Dies insbesondere auch deshalb, als Indeterminiertheit vor allem für die Willensfreiheit eine Rolle spielt, es aber schwer vorstellbar ist, dass sich die Evolution über Jahrmilliarden deterministisch entwickelt hat (es gab nichts, was eine willensfreie Wahl gehabt hätte) und mit dem Entstehen des ersten willensfreien Wesens Indeterminiertheit entstanden sein soll. Zumal sich das Gefühl der Indeterminiertheit problemlos deterministisch erklären lässt - wie auch die Interpretation der Quantenmechanik (»Quantenphysik). Dass auch Wahrscheinlichkeit als Mittelweg keine Lösung ist wird im folgenden Artikel gezeigt: »Willensfreiheit und Wahrscheinlichkeit.

Die Absurdität der Vorstellung, dass alle freien Entscheidungen determiniert sind, kann aber ebenso wenig aus der Welt geschaffen werden. Es kann nur festgehalten werden, dass alles andere als ein Determinismus widersprüchlich (Prämissen der Wissenschaft) und damit unmöglich ist. Absurdität erscheint uns Menschen zwar als unmöglich oder zumindest unwahrscheinlich, das bedeutet aber nicht, dass es nicht so sein kann. Und wenn man sich die Evolutionstheorie zu Herzen nimmt und sich der kopernikanischen Revolution bewusst ist, wenn man sich also überlegt, dass der Mensch biologisch ein Tier ist, das auf einem vernachlässigbar kleinen Planeten in einem riesigen Universum lebt, dann wird einem zumindest auch die Absurdität der gegenteiligen Annahme offensichtlich: warum soll gerade der Mensch in diesem Universum Dinge verursachen können, ohne selbst verursacht zu sein, wenn der ganze Rest offensichtlich determinert ist?

Bleibt die Frage, wie sich der Mensch dann noch von einer Maschine, einem Roboter, einem nicht willensfreien Tier unterscheidet. Bleibt die Frage, wie sich in einer deterministischen Welt Moral und Gerechtigkeit erklären lassen. Bleibt die Frage, wie in einer deterministischen Welt Religion möglich ist, die doch gerade davon ausgeht, dass der Mensch für seine Handlungen verantwortlich gemacht werden soll - die aber längst bestimmt sind. Mehr dazu: »Sind freier Wille und Determinismus kompatibel?

Auswahlliteratur

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»Weitere Literatur