"Weil jedoch über die Natur des Geistes gehandelt wird, wollen wir aus unseren Überlegungen alle Kenntnisse ausscheiden, welche von aussen durch die Leibessinne gewonnen werden, und noch sorgfältiger unsere Aufmerksamkeit dem zuwenden, was, wie wir festgestellt haben, jeder Geist von sich selbst weiss und worüber er Sicherheit besitzt. Ob nämlich die Kraft zu leben, sich zu erinnern, einzusehen, zu wollen, zu denken, zu wissen, zu urteilen, der Luft zukomme oder dem Feuer oder dem Gehirn oder dem Blute oder den Atomen oder einem von den vier gewöhnlichen Grundstoffen verschiedenen fünften von ich weiss nicht welcher stofflichen Beschaffenheit, oder ob das Gefüge oder das geordnete Mass unseres Fleisches diese Vorgänge zu bewirken vermögen, darüber zweifelten die Menschen: der eine versuchte dies, der andere jenes zu behaupten.

Wer möchte jedoch zweifeln, dass er lebe, sich erinnere, einsehe, wolle, denke, wisse und urteile? Auch wenn man nämlich zweifelt, lebt man; wenn man zweifelt, erinnert man sich, woran man zweifelt; wenn man zweifelt, will man Gewissheit haben; wenn man zweiifelt, denkt man; wenn man zweifelt, weiss man, dass man nicht weiss; wenn man zweifelt, urteilt man, dass man nicht voreilig seine Zustimmung geben dürfe. Wenn also jemand an allem anderen zweifelt, an all dem darf er nicht zweifeln, dass, wenn es all dies nicht gäbe, er an keiner Sache zu zweifeln vermöchte."

Aurelius Augustinus, De Trinitate. Buch X, 10.14. Zitiert in Johann Kreuzer (Hg.). Aurelius Augustinus: De trinitate Lateinisch-Deutsch. Meiner Hamburg 2001. S. 119.