"Die vorgeblich schwierigste Frage schließlich, nämlich die, ob sich bewusstes Erleben durch neuronale Prozesse vollständig erklären lässt, mag eine relativ triviale Lösung haben: Es ist tatsächlich ein wesentlicher Unterschied, ob ich Erleben aus einer dritten Personen-Perspektive erkläre, oder ob ich Prozesse aus der Perspektive des repräsentierenden Systems selbst heraus erlebe. Da es diesen unbezweifelbaren Unterschied gibt, hat man intuitiv das Gefühl, dass jeder noch so genauen Erklärung des Funktionierens eines Systems etwas fehlt. Daraus folgt allerdings keineswegs, dass es darum etwas Außernatürliches, etwa eine Seelensubstanz, geben muss, welche die eigentliche Ursache für diese oft tief empfundene Diskrepanz ist. Eine weitere Erklärung für die Überzeugung, dass jeder wissenschaftlichen Erklärung des Mentalen etwas fehlt, könnte auch darin liegen, dass der introspektive Zugang zu unserem Inneren weniger direkt und vor allem weniger zutreffend ist, als wir gemeinhin annehmen. Viele unserer mentalen Prozesse sind uns nämlich in ihrem Funktionieren gar nicht zugänglich. Sie funktionieren automatisch (Bargh 1999) und wir durchschauen sie nicht, sie sind, für uns selbst, opak - undurchsichtig. Tatsächlich könnte es sein, dass diese Undurchsichtigkeit eine Voraussetzung für die Art von phänomenalem Selbstbewusstsein ist, über die wir als Menschen verfügen. Die Aufgabe einer Theorie des Bewusstseins ist es nicht nur, phänomenale Eigenschaften bewusster Prozesse zu erklären, sondern auch zu erklären, wie es zu Fehlfunktionen des Bewusstseins kommen kann und wie es überhaupt sein kann, dass wir uns über uns selbst täuschen können (vgl. dazu Metzinger 2004)."

Henrik Walter in Engels 2005, S. 32.