Für diesen Abschnitt wird die Kenntnis des Abschnitts »Wie die Homöopathie wirken soll oder Grundkenntnisse der Homöopathie vorausgesetzt.

Bewertung der Lebenskraft

Samuel Hahnemann beschreibt die Lebenskraft als geistartige "Dynamis", welche den materiellen Körper belebe. Ohne dieser sei der materielle Organismus "keiner Empfindung, keiner Thätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig." (Organon Onlineversion §9, §10,) In §11 vergleicht er diese dynamische Kraft mit der Wirkung des Mondes auf Ebbe und Flut und jener eines Magneten auf ein Stück Eisen. Analog dazu gebe es eine immaterielle Lebenskraft: "So ist z.B. die dynamische Wirkung der krankmachenden Einflüsse auf den gesunden Menschen, sowie die dynamische Kraft der Arzneien auf das Lebensprincip, um den Menschen wieder gesund zu machen, nichts als Ansteckung und so ganz und gar nicht materiell, so ganz und gar nicht mechanisch, als es die Kraft eines Magnetstabes ist..."

Zu Hahnemanns Zeiten kannte man die äusserst materiellen Mechanismen, die zu vielen Erkankungen führen noch nicht. Zu seiner Zeit waren Bakterien, Viren und andere Krankheiterreger noch unbekannt, weshalb seine Ausführungen damals durchaus Sinn ergaben. Doch die folgenden Worte, welche Grundlage des ganzen Homöopathie-Gebäudes sind, sind aus heutiger Sicht  schlicht und einfach falsch: (FN zu §11) "die Stahl-Nadel wird, auch wenn der Magnet sie nicht berührt, auch schon in einiger Entfernung von ihm, selbst magnetisch und steckt wieder andere Stahl-Nadeln mit derselben magnetischen Eigenschaft (dynamisch) an, womit sie vom Magnetstabe vorher angesteckt worden war, so wie ein Kind mit Menschen-Pocken oder Masern behaftet, dem nahen, von ihm nicht berührten, gesunden Kinde, auf unsichtbare Weise (dynamisch) die Menschen-Pocken oder die Masern mittheilt, das ist, es in der Entfernung ansteckt, ohne daß etwas Materielles von dem ansteckenden Kinde in das anzusteckende gekommen war, oder gekommen sein konnte, so wenig als aus dem Pole des Magnetstabes etwas Materielles in die nahe Stahl-Nadel. Eine bloß spezifische, geistartige Einwirkung theilte dem nahen Kinde dieselbe Pocken- oder Masern-Krankheit mit, wie der Magnetstab der ihm nahen Nadel, die magnetische Eigenschaft."

Wer nun meint, dass sich Hahnemann hier wohl geirrt habe, das Prinzip der Lebenskraft aber in vielen Fällen stimmen würde, sollte sich folgende Worte zu Herzen nehmen. Ohne Beweis schreibt er (§12): "Einzig die krankhaft gestimmte Lebenskraft bringt die Krankheiten hervor..." In einer Fussnote dazu erläutert er: "Wie die Lebenskraft den Organism zu den krankhaften Aeußerungen bringt, d.i. wie sie Krankheit schafft; von diesem Wie und Warum kann der Heilkünstler keinen Nutzen ziehen und sie wird ihm ewig verborgen bleiben; nur was ihm von der Krankheit zu wissen nöthig und völlig hinreichend zum Heilbehufe war, legte der Herr des Lebens vor seine Sinne."

Eine Lebenskraft, welche analog zur Schwerkraft oder zu magnetischen Kräften wirkte, müsste gemäss der von Hahnemann verwendeten Analogie messbare Auswirkungen haben. Solche können aber inzwischen faktisch ausgeschlossen werden - oder der zweite Satz der Thermodynamik ("es gibt kein Perpetuum Mobile") hätte seine Gültigkeit verloren. Die ganze Rede einer "Lebenskraft", einer "Dynamis" oder "vis vitalis" ist also allerhöchstens eine nette Spekulation, aber bestimmt nichts Empirisches. Damit aber verliert die Homöopathie ihre wichtigste theoretische Grundlage.

Bewertung des Ähnlichkeitsprinzips

Auch für das von Hahnemann "entdeckte" Ähnlichkeitsprinzip gibt es keine wissenschaftliche Grundlage, was aber nicht grundsätzlich dagegen sprechen muss. Schwerwiegender ist die Tatsache, dass es viele Zweifel am Ähnlichkeitsprinzip gibt. Ist dieses falsch, ist die Homöopathie widerlegt, da diese auf dem Ähnlichkeitsprinzip aufbaut. Was also spricht gegen dieses Prinzip?

Problematisch ist einmal, dass Hahnemann das Ähnlichkeitsprinzip angeblich basierend auf einem einzigen Selbstversuch entdeckt haben will. Hahnemann zog aus dem Chinarindenexperiment verschiedene äusserst gewagte Schlüsse, die sich dann angeblich in weiteren Versuchen bestätigt hätten. Hier sind aber grosse Zweifel angebracht:

Diesen grundsätzlichen Einwänden können weitere allgemeine Einwände beigefügt werden.

Das Ähnlichkeitsprinzip steht also, um es vorsichtig zu formulieren, zumindest auf wackligen Füssen. Sieht es für das Prinzip der "Potenzierung" besser aus?

Bewertung des Verdünnungs- oder Potenzierungsprinzips

Allgemeines
Wie Potenzierung funktionieren soll

Weitere Einwände

Bewertung der Arzneimittelprüfung am Gesunden

Die Homöopathie basiert auf der Idee, dass die angeblich verdünnten und potenzierten Heilmittel gegen Krankheiten wirken, welche ähnliche Symptome zeigen, wie wenn das Mittel unverdünnt von Gesunden eingenommen wird. Bei Bindehautentzündung wird deshalb homöopathisch verdünnte Zwiebel verschrieben. Dabei ergeben sich diverse Probleme:

Bewertung der Natürlichkeit der Homöopathie

In der Homöopathie wird fast alles als Ursubstanz verwendet, darunter auch Hundekot, potente Gifte oder Schwermetalle wie Blei oder Quecksilber und angeblich sogar das nicht leicht erhältliche Plutonium (vgl. dazu auch Florian Freistetters Blogbeitrag). Auch sollen die homöopathischen Hochpotenzen in der Natur nicht vorkommen (sonst wäre alles, was geschüttelt worden ist eine Hochpotenz...), weshalb der Bezug zu "Natürlichkeit" problematisch ist. Insofern, als homöopathische Mitteln aber ausschliesslich aus natürlichen Trägermedien bestehen, ist der Bezug nicht ganz falsch.

Zwischenfazit

Für Hahnemann war das Chinarindeexperiment ausschlaggebend für die Entwicklung der Homöopathie. Mit diesem lässt sich aber weder das Ähnlichkeitsprinzip begründen, da die Wirkung der Chinarinde gegen Malaria auf Chinin basiert, noch das Verdünnungsprinzip, da Chinarinde nachweislich in unverdünntem Zustand gegen Malaria wirkt.

Die Homöopathie hat damit aber keinerlei Fundament. Gleichwohl sind ihre Vertreter überzeugt, dass sie wirkt und das Grund genug sei, um Homöopathie anzuwenden.

Funktioniert die Homöopathie trotzdem?

In gewisser Hinsicht funktioniert Homöopathie tatsächlich. Für den Placeboeffekt macht es einen Unterschied, ob jemand einfach eine Zuckerpille erhält oder ein durch ein kompliziertes Verfahren entstandenes und sich angeblich seit 200 Jahren bewährtes "Heilmittel". Bei der Homöopathie handelt es sich letztendlich um ein ziemlich komplexes System, das "neue" Heilmittel entwickeln kann und für jedes Gebrechen ein anderes Mittel zur Verfügung stellt, das auf völlig andere Weise und gemäss einem durchgängigen System hergestellt wurde. Die angebliche Seriosität wird weiter dadurch unterstrichen, dass es verschiedene Verdünnungsstufen für unterschiedliche Anwendungsbereiche gibt, was wiederum auf ein logisches System hindeutet, das dahinter verborgen zu sein scheint. Durch solche Elemente erhöht sich die Glaubwürdigkeit der Homöopathie, unabhängig davon, dass sich die Endprodukte nicht voneinander unterscheiden lassen.

Dass sie zudem keine Nebenwirkungen haben kann (höchstens mit Ausnahme des Nocebo-Effekts) und keine "bösen" materiellen, sondern nur "gute" immaterielle Wirkkräfte enthalten soll, nimmt vielen die Angst, die bei Mitteln der konventionellen Medizin vorhanden sein kann. Wer den Beipackzettel vieler Medikamente genau liest, erhält schnell ein mulmiges Gefühl. Da ist so mancher bereit zu einer Alternative zu greifen, die "sanfter" wirken soll, insbesondere bei weniger schlimmen Leiden oder beispielsweise chronischen Krankheiten, gegen die auch die konventionelle Medizin nicht viel ausrichten kann. 

Wie die Homöopathie letztendlich funktioniert, können Sie auch im Artikel »Alternativmedizin: wie sie wirkt, respektive »Erklärungen für die Erfolge der Homöopathie nachlesen.