Eines der beliebtesten Tummelfelde von Anhängern der Alternativmedizin ist das Impfen. Dieses wird als gefährlich diskreditiert, weshalb man sich möglichst davor hüten sollte. Diese Ablehnung von Impfungen basiert dabei einerseits auf Ängsten ("mir geht es doch gut, warum soll ich also ein Risiko auf mich nehmen?), andererseits auf ähnlichen Mechanismen wie die Zustimmung zur Alternativmedizin. 

Gründe für die Ablehnung von Impfungen

Impfungen haben eine starke Wirkung, weshalb es zu Nebenwirkungen kommen kann. Diese werden in Form von Anekdoten (»Anekdotensammlung) gerne überhöht und überbetont, was dadurch verstärkt wird, dass die Wirkung von Impfungen unspektakulär ist: während ein Todesfall, der auf die Fehlwirkung einer Impfung zurückgeht dramatisch ist, werden die möglicherweise Dutzenden, Hunderten oder gar Tausenden durch die Impfung verhinderten Todesfälle übersehen. Dabei spielt ein psychologischer Effekt eine Rolle: Lässt man sich aktiv impfen und weiss, dass es einen Todesfall gegeben hat, entsteht Angst vor der Impfung, da man dann eine klare Ursache hat für eine mögliche Folge. Lässt man sich jedoch nicht impfen, ist die Ursache der Erkrankung quasi weiter weg, weshalb die Angst auch kleiner ist. Die Gefahr ist abstrakter und wird damit als weniger akut wahrgenommen.

Während Alternativmedizin grundsätzlich keine Nebenwirkungen haben soll und deshalb allfällige Verschlechterungen des eigenen Zustands anders attribuiert werden (»Erklärungen für die Erfolge der Homöopathie), werden alle Nebenwirkungen, die in etwa zeitgleich mit einer Impfung auftreten dieser angelastet. Gerade Menschen, welche sich vor Impfungen fürchten werden sich genau beobachten und jede Veränderung mit der Impfung verknüpfen. Dabei wird es oft geschehen, dass zwischen Impfung und Symptom kein kausaler, sondern nur ein zeitlicher Zusammenhang besteht: ein Tag nach der Impfung beobachtet man sich sehr genau und erkennt irgendwo einen leichten Schmerz, geht zum Arzt, der womöglich eine schlimme Krankheit diagnostiziert. Diese kann, muss aber nicht durch die Impfung hervorgebracht worden sein. Dies spielt aber keine Rolle, da bereits eine Anekdote entstanden ist, die noch etwas überspitzt dargestellt wird (eigentlich waren zwei Wochen dazwischen...) und damit "beweist", dass impfen schädlich ist und man deshalb besser darauf verzichtet.

Impfungen wirken gut, aber nicht immer. Es kommt also vor, dass bei Menschen, welche sich geimpft haben gleichwohl die geimpfte Krankheit ausbricht. Auch dies eignet sich ideal, um daraus eine Anekdote zu machen: wozu impfen, wenn es dann ja doch nichts nützt? Dass dies nur in einem kleinen Prozentsatz der Fall ist, wird dabei gerne ausgeblendet, denn wenn die Impfung nützt, wird das nicht zwingend dieser zugeschrieben: das Ausbleiben einer Krankheit wird als normal betrachtet ("auch viele, die sich nicht impfen, werden nicht krank...") und womöglich nicht der Impfung zugeschrieben, sondern dem eigenen, vorbildlich "gesunden" Lebenswandel.

Zum Anekdotenhaften gehören auch Grosskampagnen, wie es sie bei der Schweinegrippe gegeben hat. Flächendeckend wurde geimpft, wurden Desinfektionsmittel ausgegeben, Katastrophenpläne ausgearbeitet - und es geschah nichts. Dies wird womöglich nicht zu Unrecht der "Pharmalobby" angerechnet, welch einfach Profit machen wollte. Wäre die Schweinegrippe jedoch wirklich zu einer Epidemie geworden und hätte man nichts dagegen unternommen, wären dieselben Politiker, die heute wegen "Hysterie" verurteilt werden für die Todesfälle verantwortlich gemacht worden. Es ist immer einfach im Nachhinein zu sagen, dass Fehler gemacht wurden, doch die Gefahr einer Epidemie, die womöglich durch Impfungen verhindert werden kann ist weiterhin real. Die Gefahren werden dabei oftmals unterschätzt - die spanische Grippe, welche am Ende des Ersten Weltkriegs gewütet hatte, forderte über doppelt soviele Opfer, wie der Krieg.

Die Gefährlichkeit der Impfverweigerung

Gerne wird argumentiert, dass es Privatsache sei, ob man sich impft oder nicht. Da man sich schliesslich nicht durch Chemie vergiften und womöglich schlimmste Verkrüppelungen oder sogar den möglichen Tod auf sich nehmen wolle, lasse man es lieber bleiben. Problematisch ist diese Argumentationsweise aber deshalb, weil ungeimpfte Menschen Träger von Krankheiten werden können, welche für alle anderen eine grosse Gefahr darstellen können. So galt die Kinderlähmung (polio) als faktisch ausgerottet - bis sich immer mehr Menschen vor allem in Pakistan einer Impfung verweigerten. Ein Grund war, dass die USA Impfteams unterwandert hatten, um auf die Spur Osama bin Ladens zu gelangen. Viele Menschen in den pakistanischen Stammesgebieten sind deshalb der Überzeugung, dass ihnen mit der Impfung geschadet werden solle, dass sie z.B. Männer unfruchtbar mache. Die Lage hat sich inzwischen derart zugespitzt, dass die WHO einen Polio-Impfnachweis verlangt für alle Menschen, die Pakistan verlassen. Doch auch in der Schweiz verhindern radikale Impfgegner das Ausrotten der Masern, obwohl auch Masern ausrottbar wären - und es immer wieder zu Todesfällen kommt (Pakistan und die Schweiz haben in Impffragen viel gemeinsam, Birgit Voigt in der NZZ am Sonntag, 18. Mai, S. 17).

Es ist also keineswegs nur Privatsache - wobei sich eine Impfpflicht aber kaum durchsetzen lässt. Würde man dies versuchen, wäre der Aufschrei bei den ersten scheinbar oder real auf die Impfung zurückgehenden Nebenwirkungen unermesslich. Gleichwohl sollten Impfverweigerer darauf aufmerksam gemacht werden, dass ihre Verweigerung nicht nur sie etwas angeht und versucht werden beispielsweise mit den hier vorgebrachten Argumenten die Angst vor der Impfung etwas zu nehmen. Diese Angst aber leider in der Regel nicht rationalen Argumenten zugänglich.

Zudem gibt es auch ideologische Gründe, das Impfen abzulehnen. Insbesondere für Menschen, die Krankheiten einen "Sinn" zusprechen (»Alternativmedizin: Weltbild) ist das Impfen "böse", da es verhindert, dass gewisse Krankheiten durchlebt werden. Birgit Voigt schreibt dazu: "Sie halten Infektionskrankheiten fälschlicherweise für eine Art Fitnesstest für das Immunsystem. Diese Öko-Taliban haben erstaunlich viel Zulauf."

Bildquelle: »Wikimedia Commons

Ein sehr lesenswerter Artikel zur Impfproblematik »Skeptiker.ch