Jemand, der von der Alternativmedizin überzeugt ist, will in der Regel davon überzeugt sein. Viele haben den Glauben an die evidenzbasierte Medizin verloren, weil ihre Gebrechen nicht geheilt werden konnten und hoffen auf die Alternativmedizin. Versucht man diese Hoffnung zu zerstören, indem man argumentiert, dass Alternativmedizin "x" nicht funktionieren kann, wird man kaum erfolgreich sein.

Rationale Argumente funktionieren zudem in der Regel nicht, weil es sich bei der Gesundheit um ein emotionales Thema handelt. Wer gesund ist, will sich nicht impfen lassen und so Nebenwirkungen oder gar eine schwere Krankheit riskieren (»Alternativmedizin: Impfen... ). Wer nur leichte Beschwerden hat, will sich nicht den "Gefahren" der konventionellen, evidenbasierten Medizin aussetzen und Nebenwirkungen riskieren. Dazu kommt, dass Anekdoten stets ein unerwartetes Element enthalten - bei Alternativverfahren unerwartete Erfolge, bei der konventionellen Medizin unerwartete, aber bereits befürchtete gravierende Nebenwirkungen. Da zudem die Einnahme von Medizin mit Krankheit verbunden ist, wird Medizin mit Angst, Alternativmedizin aber eher mit Hoffnung ("nützt es nichts, so schadet es wenigstens nichts") in Verbindung gebracht. Gegen solche emotionalen Aspekte helfen rationale Argumente in der Regel wenig, gleichwohl werden die wichtigsten Argumente im Folgenden notiert.

Grundsätzliches

Verfechter alternativmedizinischer Verfahren wissen, dass deren Wirksamkeit sich in der Regel nicht wissenschaftlich belegen lässt. Es werden zwar gerne Studien zitiert, die das Gegenteil behaupten, doch letztendlich spielen wissenschaftliche Beweise kaum eine Rolle: für jemanden, der an die Alternativmedizin "glaubt", gibt es genügend Belege, als dass die Wirksamkeit ernsthaft in Frage gestellt werden könnte. Daran ändern wissenschaftliche Studien nichts.

Eine Strategie ist es deshalb, zu erläutern, wie alternativmedizinische Verfahren wirken können - ohne zu wirken (»Alternativmedizin: Wie sie wirkt. Dabei genügt es nicht, einfach auf den Placeboeffekt zu verweisen, sondern müssen möglichst verschiedene Gründe angeführt werden. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass man nur schon damit allzu grosse Zweifel wecken kann - wer eine "Wunderheilung" erlebt hat oder Bekannte hat, denen solches widerfahren ist oder widerfahren sein soll, wird seinen Glauben in der Regel nicht so leicht aufgeben. 

Vielmehr kommt man schnell in Bedrängnis, wenn Beispiele erwähnt werden, wo man die Wirksamkeit einer Alternativmethode (scheinbar) kaum leugnen kann. Diese Beispiele haben eine besondere Macht und sind meist ad hoc nicht zu erklären. Damit läuft man aber in eine argumentative Falle - kann man die Beispiele nicht sofort überzeugend (nicht einfach "»Placeboeffekt!") entkräften, hat der Vertreter der Alternativmedizin (für sich) bereits gewonnen. Es spielt in der Regel nicht einmal eine Rolle, ob man einige von mehreren Beispielen "widerlegen" kann, ein "Gläubiger" wird davon nicht von seinem "Glauben" abfallen, da es genügend weitere Beispiele gibt und die "Widerlegungen" meist ja nicht zwingend sind. Vielleicht lässt sich das "Wunder" mit dem Placeboeffekt erklären, vermutlich aber ist es eben doch die "Heilmethode". Hier droht Glatteisgefahr.

Es ist deshalb eher sinnvoll, aufzuzeigen, wie und warum ein Verfahren angeblich wirken soll - und warum das selbst mit Zuhilfenahme von übersinnlichen, nichtwissenschaftlichen Erklärungen schlicht unmöglich ist. Betrachtet man beispielsweise die Entstehungsgeschichte der Homöopathie, wird die Absurdität der Lehre schnell klar. (»Wie die Homöopathie wirken soll) Aber auch hier stösst man an Grenzen, wenn das Gegenüber von "feinstofflichen Kräften", der Kraft des Chi etc. zu sprechen beginnt. Da das Meiste davon rein spekulativ ist, kann die gesamte Phantasie dafür verwendet werden, "Erklärungen" zu finden.

Es mag deshalb rhetorisch sinnvoll sein, einzugestehen, dass Alternativmedizin wirkt. Ein solches Eingeständnis weckt erst einmal Wohlwollen. Als nächster Schritt können Erklärungsansätze für die Wirkung erarbeitet werden - feinstoffliche Schwingung vs. Placeboeffekt. Die feinstofflichen Schwingungen lassen sich in Zweifel ziehen und zusätzlich kann man in diesem Zusammenhang betonen, dass beispielsweise der Placeboeffekt in der Alternativmedizin in der Tat besonders wirksam ist. Dieser entsteht ja nicht von selbst, sondern ist abhängig vom Arzt, der subjektiven Glaubwürdigkeit einer Methode etc. Je umfassender, überzeugender, pompöser ein System ist, je stärker kann der Placeboeffekt also wirken. Insofern lässt sich durchaus argumentieren, dass es besser ist, ein alternativmedizinisches Verfahren zu nutzen, zumal dies oftmals günstiger kommt als die Einnahme eines konventionellen Medikaments. Auch wenn die Alternativmedizin nicht kostenlos ist, ist der Placeboeffekt eben in der Regel auch nicht kostenlos zu haben, ist der Effekt einer Zuckerpille nicht immer derselbe. Bei dieser Strategie muss aber klar darauf hingewiesen werden, dass die Alternativmethode selbst nicht wirkt und dass der Schaden den Nutzen auch überschreiten kann.

nützt es nichts, so schadet es nichts

Gerne wird mit dem Argument für die Alternativmedizin geworben, dass sie sowieso nicht schadet. Nützt sie - gut, nützt sie nichts - geschieht auch nichts Schlimmes, zumal wenn die wissenschaftliche Medizin beim entsprechenden Leiden auch keine Heilmethode kennt. Dabei steht die Medizin vor der Herausforderung, dass ihre Wirksamkeit auch als Bedrohung wahrgenommen wird. Es genügt, wenn einige Promille oder sogar noch weniger, die ein Medikament genommen haben oder geimpft wurden starke Nebenwirkungen hatten oder sogar starben, um sich vor dem Medikament zu fürchten und es möglichst zu vermeiden. Dies sogar dann, wenn überhaupt nicht eindeutig geklärt ist, dass das Medikament dafür verantwortlich war oder die Kausalzuschreibung zumindest nicht gesichert war (Synchronizität).

Umgekehrt genügt es, wenn sich bei einigen Promille, die eine Alternativpräparat einnehmen ein Heilerfolg einstellt, um Menschen Hoffnung zu geben. Im Willenskonflikt: wirksames Medikament nehmen, das auch schaden kann oder sanfte Scheinmedizin nehmen, die ab und an einen Lottogewinn verspricht, aber nicht schaden kann, entscheiden sich viele Menschen für Zweiteres. Dies ist aber unter Umständen gefährlich:

alternatives Weltbild

Wohl die meisten Menschen, die alternativmedizinische Verfahren verwenden tun dies nicht aus weltanschaulicher Überzeugung, sondern aus der Überzeugung, dass die Verfahren einerseits wirken, andererseits weniger unerwünschte Nebenwirkungen zeigen als die Schulmedizin. Es gibt aber auch ein (oder mehrere) alternativmedizinische Weltbilder, die sich radikal vom klassischen, wissenschaftlichen Weltbild unterscheiden. Dazu mehr »hier)